Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1188 - Wartesaal zum Jenseits

1188 - Wartesaal zum Jenseits

Titel: 1188 - Wartesaal zum Jenseits
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
jemand, an dessen Körper all die netten Unzulänglichkeiten zu sehen waren, die einen Menschen eben ausmachten, und das durchaus im sehr positiven Sinne.
    Sie fand sich zu dick. Das Gesicht war zu rund. Sie hatte das dunkle Haar nicht nach der neuesten Mode schneiden lassen, sondern ließ es einfach wachsen. So wurde ihr Kopf von einer kleinen Armee aus Locken umgeben. Ein kleiner Mund, eine kleine, etwas nach oben gerichtete Nase, aber schöne, große und auch dunkle Augen, in denen der Blick jetzt eine gewisse Unsicherheit zeigte. Es war der Ausdruck einer Frau, die sich nicht wohl fühlte.
    Sie schlug die Tür zu. Dann ging sie langsam auf die Haustür zu. Es wohnte noch der Besitzer dort.
    Ihn hatte sie nur einmal gesehen. Ein schon älterer Mann mit einer Brille, deren dicke Gläser irre stark vergrößerten.
    Sie ging auf die Haustür zu. Sie lag in einer Nische. Den Schlüssel besaß Tessa. Sie schloss die Tür auf, stieß sie nach innen und nahm augenblicklich den Geruch wahr, den sie einfach nur hasste. Es war ein Gestank des Alters. Sie konnte ihn selbst nicht definieren. Es roch immer nach altem Wasser, das irgendwann mal verschüttet und nicht aufgewischt worden war.
    Auch jetzt öffnete sich keine Tür im Erdgeschoss. Sie konnte normal die Treppe hoch in die erste Etage gehen, in der die Wohnung der Mutter lag. In dem Stockwerk darüber wohnte niemand. Den Grund dafür konnte sie nicht sagen. Es lag an dem alten Besitzer. Wahrscheinlich wollte er die Zimmer nicht mehr vermieten.
    Wie immer waren ihre Schritte auf den Stufen der Treppe zu hören. Sie ging sehr langsam. Sie lauschte auch, und sie schaute nach vorn in das dämmrige Schattenlicht, das durch ein Flurfenster an der linken Seite fiel.
    In der ersten Etage gab es nur eine Tür. Sie war geschlossen, und Tessa schob den Schlüssel behutsam in das Schloss. Sie räusperte sich leise, dann drehte sie den Schlüssel um - und wunderte sich, dass er schon nach einer kurzen Bewegung fasste.
    Da stimmte etwas nicht!
    Die Tür war nicht abgeschlossen gewesen. Tessa erinnerte sich daran, es nach ihrem letzten Besuch getan zu haben. Nun musste sie einsehen, dass dies nicht zutraf.
    Mit der freien Hand strich sie fahrig über ihre Stirn. Das leise Knarzen erschreckte sie schon, sie würde sich auch nicht daran gewöhnen können. Der Blick in den schmalen Flur war wie immer.
    Leer. Keiner stand da, um sie zu empfangen.
    Es kam ihr nicht ungewöhnlich vor. Dennoch hatte sie den Eindruck, dass sich gerade an diesem Tage etwas verändert hatte.
    Sie stand auf der Schwelle und hörte sich selbst atmen. So seltsam hatte sich Tessa nicht mal bei ihrem ersten Besuch in dieser für sie fremden Wohnung gefühlt. Etwas stimmte nicht. Einiges musste sich einfach verändert haben.
    »Hallo…«
    Bei diesem leisen Ruf kam sie sich selbst lächerlich vor. Dass sie keine Antwort erhielt, beruhigte sie nicht wirklich, denn noch nie war der Eindruck einer Veränderung so stark gewesen wie in diesem so langen Augenblick.
    Es gab da etwas. Es war nicht zu fassen, aber sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass sie sich irrte. Tessa kam plötzlich die Idee, dass sich etwas Fremdes in diese Wohnung eingeschlichen haben könnte. Etwas, das nicht zu fassen und auch nicht zu erklären war. Selbst einer körperlichen Anwesenheit stimmte sie nicht zu, sondern mehr einer geistigen, und sie spürte auch das Kribbeln auf ihrem Rücken, als wären Spinnen mit kalten Beinen dabei, vom Hals bis zu den Oberschenkeln zu laufen.
    Tessa schob sich in den Flur. Sie trug eine dunkelblaue Hose mit breiten Umschlägen, einen hellen Pullover und eine dunkelblaue Winterjacke, deren Kragen aus Kunstfell bestand.
    Sie hörte sogar, wie ihre Kleidung schabte. Jedes kleinste Geräusch nahm sie wahr. Nur etwas Fremdes drang nicht an ihre Ohren. Dennoch hatte sie den Eindruck, nicht allein zu sein. In der Wohnung musste es eine Veränderung gegeben haben, die nicht sichtbar, sondern nur fühlbar war.
    Der Geruch?
    Das konnte durchaus sein, denn nach Tessas Ansicht roch es nach alter Kleidung. Das hatte sie sonst bei ihrer Mutter nie erlebt. Aber es stimmte auch nicht. Nach den nächsten beiden kleinen Schritten veränderte sich dieser Geruch wieder, und da hatte sie plötzlich den Eindruck, in einer Kirche zu stehen.
    Beinahe hätte sie darüber gelacht, aber wenn sie es richtig interpretierte, stimmte es.
    In der Wohnung roch es leicht nach Weihrauch!
    Darüber konnte sich Tessa nur wundern. Aber das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher