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1080 - Hexenwald

1080 - Hexenwald

Titel: 1080 - Hexenwald
Autoren: Jason Dark
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ich deinen Großvater nicht, aber ich kann mir vorstellen, daß er auch dir die Geschichten erzählt hat, die sich hier ereignet haben. Was du erlebt hast, ist ja nicht normal. Du hast einen Toten gefunden, doch der war anders als normal. Mit ihm ist etwas geschehen. Daß dies passieren konnte, dafür muß es ein Motiv oder einen Hintergrund geben. Das zudem hat mich die Erfahrung gelehrt. Außerhalb des Dorfes ist die Gegend ziemlich einsam und urwüchsig, das habe ich schon entdeckt, und ich habe auch das dichte Waldstück gesehen, das mir vorkam wie ein düsterer Tempel, in dem sich etwas Unheimliches versteckt hält.« Er lachte. »Das kann Spinnerei sein, aber ich muß jeder Spur nachgehen, weißt du? Manchmal bin ich sehr phantasiereich, denn auch das gehört zu meinem Job.«
    »Klar.« Der Junge war sehr ernst geworden. Geistesabwesend aß er seinen Eisbecher leer.
    Harry, der Jens genau beobachtete, wußte sehr gut, daß er einen bestimmten wunden Punkt berührt hatte. Der Junge schien noch zu überlegen, wie er dem Mann gewisse Dinge näherbringen sollte.
    »Nun? Was meinst du?«
    »Ja, ja, da war schon was.«
    »Womit?«
    »Mit diesem Wald.«
    »Ach.«
    Jens schob seinen leeren Becher zur Seite. Er war plötzlich unruhig geworden. »Bei uns im Volksmund heißt er der Hexenwald. Ist schon komisch, nicht?«
    »Warum?«
    »Na ja. Viele haben Angst gehabt, sich dem Wald zu nähern. Er ist ein richtiger Urwald. Da wird es auch nie trocken. Der Boden ist sumpfig und an manchen Stellen sogar so gefährlich, daß man leicht einsinken kann. Es darf dort auch nichts getan werden. Die Menschen müssen alles so wachsen lassen. Das soll wieder ein richtiger Urwald werden. Habe ich jedenfalls gehört.«
    »Bist du schon im Wald gewesen?«
    Jens schaute sich um, weil er sicher sein wollte, daß ihn niemand hörte. »Ja, mit zwei Freunden. Aber nur am Rand, nicht tief hinein. Wir hatten sogar Schiß.«
    »Vor wem?«
    »Vor der Hexe«, flüsterte Jens.
    Harry tat überrascht und öffnete weit seine Augen. »Das… das… kann dich nicht wahr sein.«
    »Es stimmt aber. Im Wald soll eine Hexe wohnen. Schon seit Urzeiten. Sie heißt Anena.«
    »Gut, Jens. Von wem weißt du das?«
    »Das erzählt man sich.«
    Harry zwinkerte ihm zu. »Der Großvater, nicht?«
    »Klar.«
    »Hat er daran geglaubt?«
    Jens kratzte an seiner Stirn einen Pickel auf. »Alle hier im Dorf glauben daran. Sie sprechen nur nicht davon. Sie sind froh, daß der Wald jetzt zu einem Naturschutzgebiet geworden ist. Da brauchen sie sich keine Ausreden mehr einfallen zu lassen. Jedenfalls machen sie einen Bogen um ihn. Und der Weg, den wir früher genommen haben, der ist gar nicht mehr zu sehen und längst zugewachsen. Wahrscheinlich stimmt das alles nicht. Man hat das nur gesagt, weil der Boden so sumpfig und auch gefährlich ist. So ist das nun mal.«
    »Sehr gute Geschichte.«
    Jens wußte nicht, was er sagen sollte. So zuckte er die Achseln und hörte dabei die nächste Frage.
    »Sag mal, hast du diese Anena schon einmal gesehen?«
    »Nein, ehrlich nicht. Niemand hat sie gesehen, glaube ich.«
    »Dann weißt du auch nicht, wie sie aussieht?«
    »Doch - schon.« Er nickte. »Sie… sie… soll sehr schön sein. Keine wie aus dem Märchen Hänsel und Gretel mit krummer Nase und Höcker darauf. Nein, die hier muß echt super sein.«
    »Hat das dein Großvater auch erzählt?«
    »Klar.«
    »Und woher weiß er das?«
    »Keine Ahnung, das wußte er eben. Wie andere auch.«
    »Was hat die Hexe denn so Schlimmes getan, daß die Angst vor ihr so groß ist?«
    »Na ja, die… die… die hat keine Kinder zu sich geholt, sondern Erwachsene.«
    »Männer?«
    »Klar. Aber früher in der alten Zeit. Heute wohl nicht…« Das letzte Wort wollte ihm nicht über die Lippen, denn er schaute Harry Stahl schon leicht entsetzt an.
    »Denkst du an den Toten, Jens?«
    Er nickte heftig.
    Harry räusperte sich. »Ich auch, aber das sind ja nur Sagen, mein Junge. Alte Geschichten, die man sich erzählte, als es noch kein Fernsehen gab.«
    »Die Leute hier haben daran geglaubt, Herr Stahl.«
    »Das ist oft so. Ich, komme aus Sachsen, und dort gibt es auch viele Sagen und Legenden.«
    »Der Mann sah aber so komisch aus.« Plötzlich brachen die Dämme, und Jens Küppers berichtete alles haarklein, was ihm widerfahren war. So erfuhr Harry von den Regenfällen, von der Überschwemmung, vom Einbruch der Holzbrücke, dem Kampf im Wasser und von der schrecklichen Entdeckung, als der Tote auf
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