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1050 - Die Nymphe und das Monster

1050 - Die Nymphe und das Monster

Titel: 1050 - Die Nymphe und das Monster
Autoren: Jason Dark
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Kerzenflamme an, wartete ab, bis genug Wachs auf die Altarplatte getropft war, damit die Kerzen Halt fanden.
    Er hatte die Kerzen an den Schmalseiten aufgebaut. Das Licht reichte aus, um den Gegenstand gut erkennen zu können. Der Stein war von einer unbestimmten Farbe. Grau und grün zugleich. Da mischte sich beides ineinander. Trotz seines Alters war er noch gut erhalten. Leicht uneben und an den Rändern mit zu vier Stellen hin offenen Rillen versehen. Darüber hatten sich viele Menschen Gedanken gemacht, einschließlich des Pfarrers. Er war letztendlich zu der Überzeugung gelangt, daß dieser Altar eigentlich nicht in die Kirche gehört. Man hatte ihn zwar in der Nähe bei Ausgrabungen gefunden, und er mochte in früherer Zeit auch als Altar oder Opferplatz gedient haben, das wiederum ließ sich allerdings nicht mit dem heutigen Glauben vereinbaren.
    Mochte er auch ein altes Fundstück und sehr wertvoll sein, ihm gefiel der Altar trotzdem nicht. Aber er hatte es hingenommen.
    Hätte er versucht, den Altar zu entfernen, hätte es großen Ärger mit den Bewohnern gegeben.
    Die Flammen hatten sich wieder beruhigt. Sie bewegten sich jetzt nicht mehr und schickten ihren Schein in die Höhe. Ließen ihn aber auch zu den Seiten hin wegfließen, und so konnte sich das Licht über die Platte ausbreiten. Es drang auch ein in die Rinnen, die der Geistliche sich genauer anschaute.
    Wieder dachte er an die alte Madge. Sie hatte von Blut gesprochen. Sie hatte den Blutgeruch erwähnt, und ihre Stimme hatte verdammt glaubhaft geklungen.
    Don Carmacho war leicht verunsichert. Er bückte sich, um mehr erkennen zu können, und er zog einige Male die Nase hoch wie ein erkälteter Mensch.
    War etwas zu riechen?
    Wie roch Blut überhaupt?
    Er hätte diesen Geruch nicht beschreiben können, weil er damit in seinem Leben wenig zu tun gehabt hatte. Geschmeckt ja, aber das eigene Blut.
    Doch da war etwas!
    Carmacho stand gebückt vor der breiten Seite des Altars und hielt plötzlich den Atem an.
    Eine Täuschung? Hatte er sich diesen fremden Geruch vielleicht eingebildet? Dachte er zu stark an die Worte der Alten, die auch ihn beeinflußt hatten?
    Der Pfarrer ärgerte sich über sich selbst und nannte sich schon einen Spinner. An alte Geschichten hatte er nie geglaubt. Er hatte immer darüber gelacht, hätte es auch jetzt getan, doch ihm war das Lachen einfach vergangen.
    Etwas stimmte hier nicht.
    Es war tatsächlich der Geruch!
    Don Carmacho kannte seine Kirche gut. Er hielt sich so oft wie kein zweiter darin auf. So wußte er auch, was mit ihr geschah und wie sie eben roch.
    Immer kühl, immer feucht. So ähnlich wie der Fluß Tywi und dessen Umgebung. Das wäre normal gewesen, nicht aber dieser neue Gestank. Ja, für ihn war es ein Gestank und kein Geruch mehr.
    Er richtete sich auf und atmete tief durch den offenen Mund ein.
    Genau da hatte er das Gefühl, den Geruch als Geschmack auf der Zunge zu erleben, der sich dort wie ein Klebeband festgedrückt hatte. Er schüttelte den Kopf, schaute sich um, doch außerhalb des Kerzenscheins war nicht viel zu erkennen.
    Schatten, Dunkelheit. Draußen war der Wind wie jeden Abend aufgefrischt. Er spielte mit dem Efeu, und manche Zweige kratzten wie Totenfinger über das Glas hinweg oder schlugen dagegen, als wollten sie um Einlaß bitten.
    Don Carmacho wurde es noch kälter. Jetzt war es die Kälte in seinem Innern, die mit der anderen nichts zu tun hatte. Es konnte einem Menschen heiß und auch kalt vor Furcht werden. Der Pfarrer fragte sich, ob er in seiner eigenen Kirche Furcht haben mußte.
    Nein, das war bisher nicht der Fall gewesen. Nun aber sahen die Dinge anders aus.
    Er spürte die Bedrückung. Die kalte Furcht, schon das leichte Entsetzen, obwohl es keinen Grund dafür gab. Auch war er nicht sicher, ob er das Blut überhaupt gerochen hatte. Das konnte ebensogut Einbildung gewesen sein.
    »Ja, es war Einbildung!« flüsterte er vor sich hin, aber mehr, um sich Mut zu machen.
    Dann konnte er den Blick auch wieder auf den Altar richten. Der Pfarrer senkte den Kopf. Er tauchte ihn genau in den Schein zwischen den beiden Kerzen hinein. Er konnte die Altarplatte sehen, auch die Rinne – und glaubte, verrückt zu werden.
    In der Rinne bewegte sich etwas. Unzählige, winzige Tierchen mit polierten Oberflächen rannten dort zuckend in die verschiedenen Richtungen weg. Aber es waren keine Tiere. Es war etwas anderes, denn er hörte an den vier Seiten des Altars und an den Öffnungen der
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