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1022 - Der Lockvogel

1022 - Der Lockvogel

Titel: 1022 - Der Lockvogel
Autoren: Jason Dark
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Weinflasche gewollt zu haben.«
    »Das dachte ich mir.«
    »Und wir dachten uns, daß es sich ändern würde, wenn wir Chadwick und Jane gegenüberstellen.«
    »Das können wir immer noch. Er läuft uns ja nicht weg.«
    »Stimmt auch wieder.«
    »Wir werden jedenfalls morgen ankommen. In der Nacht fahren wir los, und es ist eine verdammt weite Strecke bis Glasgow, das kannst du mir glauben.«
    »Ich weiß, wo ihr steckt. Sehr weit nördlich.«
    »Schon zu weit.«
    »Gut. Wir warten dann. Und Lady Sarah sitzt bereits auf heißen Kohlen, wie du dir denken kannst.«
    »Dann grüße sie von mir.«
    »Mache ich alles. Gruß an Jane zurück. Und seht zu, daß euch die Einsamkeit der Landschaft nicht frißt.«
    »Das bestimmt nicht.«
    Ich drehte mich um und schaute auf die Tapete mit den kleinen Blumen, mit denen die McCormicks die Wände ihres Wohnzimmers beklebt hatten. Die Familie hatte uns helfen wollen und war selbst in den Strudel hineingerissen worden. Die Kraft des untoten Engels hatte einige Boote des Bootsverleihers zerstört und auch einen Teil seines Hauses. Da war einiges zusammengebrochen, und ich wäre beinahe unter den Trümmern begraben worden.
    Trotzdem hatten es sich die McCormicks nicht nehmen lassen, uns Unterschlupf zu bieten, und wir hatten auch Elaine McCormick kennengelernt, eine resolute und gleichzeitig sehr warmherzige Frau, die uns sofort eine Bleibe angeboten hatte. Besonders rührend hatte sie sich um Jane Collins gekümmert, die nicht bei mir war, sondern hatte ein Bad nehmen wollen.
    Ich wollte kurz mit ihr reden. Deshalb verließ ich das Wohnzimmer und ging in den Flur. Dort klopfte ich gegen die helle Tür des Badezimmers.
    »Ja, wer ist da?«
    »Nur ich.«
    »Komm rein«, sagte Jane.
    Ich betrat das Bad. Eine hohe Decke, keine gefliesten Wände, dafür eine große Wanne und auch Rohre, die nicht unter Putz lagen. Aber das Wasser war warm, und der Schaum stand handhoch auf der Oberfläche. Janes Kopf schaute hervor. Sie konnte schon wieder lächeln, als sie mich sah und ich an der Tür stehenblieb.
    »Was gibt es, John?« Sie hob die Arme an und kreuzte die Hände hinter dem Kopf.
    »Ich habe mit London telefoniert. Mit Suko.«
    »Aha.«
    »Sie warten auf uns. Ich habe ihnen jedoch erklärt, daß wir uns Zeit lassen.«
    »Richtig.« Jane blies einen Schaumspritzer von ihrer Nase weg.
    »Hast du auch erfahren, was Sarah Goldwyn dazu sagt?«
    »Nein, nicht direkt. Sie ist natürlich aufgeregt. Über das Telefongespräch mit Chadwick hatte ich dich schon informiert. Jedenfalls streitet er alles ab, und wir werden ihm auch so schnell nicht an den Kragen können.«
    Jane schwieg zunächst. Sie schaute mich an, aber sie sah mich nicht. Ich wußte, mit welchen Gedanken sie sich herumquälte, aber ich stellte keine Fragen, was diesen untoten Engel anbetraf.
    »Dann sollten wir doch fahren, John.«
    »Klar, das machen wir auch.«
    »Schon früher.«
    »Wann denn?«
    »Wenn du mir das Badetuch reichst, steige ich aus der Wanne, trockne mich ab, ziehe mir andere Kleidung an und bin praktisch schon startbereit.«
    »Ist das wirklich dein Wunsch?«
    »Ja!« flüsterte sie mir scharf zu. »Das ist mein Wunsch. Ich bin froh, John, wenn ich hier wegkomme. Ich will an diese Zeit nicht mehr erinnert werden.«
    »Wenn du das so siehst, hast du recht.«
    »Eben.« Sie stützte sich an den Rändern der Wanne ab und stand auf. Dabei lächelte sich mich an. »Glotz doch nicht so, Geisterjäger, gib mir lieber das Tuch.«
    »Ja, natürlich, das Tuch.« Ich nickte, holte es vom Haken und hielt es Jane entgegen.
    »Aber eines darfst du tun«, sagte sie, wobei sie geschickt aus der Wanne stieg.
    »Was denn?«
    »Mich abtrocknen.«
    »Es wird mir ein Vergnügen sein, Madam…«
    ***
    Die Stimme des längst verstorbenen Sängers Dean Martin verklang, als Kathrin Dill den Nissan stoppte und das Radio ausschaltete.
    Kein Geräusch mehr, nichts Fremdes, nur Stille, denn auch der Mann neben ihr war kaum zu hören. Er war noch immer in seiner Bewußtlosigkeit gefangen. Er würde es auch in der nächsten Zeit bleiben.
    Das Haus lag einsam. Abseits der Wege. Es war auch kein Ziel für Spaziergänger. Zudem war es alt und brüchig. Es erinnerte mehr an eine Scheune als an eine Wohnhaus. Die Menschen aus der Umgebung redeten nicht einmal darüber, wenn sie ihre Heimat erwähnten. Sie hatten es vergessen. Möglicherweise auch bewußt, denn mit einem derartigen Gemäuer wollte niemand so recht etwas zu tun haben.
    Kathrin Dill
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