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100 Prozent Anders

100 Prozent Anders

Titel: 100 Prozent Anders
Autoren: Thomas Anders
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worden sei und er sich über die Wünsche und Hoffnungen unseres Publikums einfach hinweggesetzt habe. Ich betonte, dass ich trotz aller Misstöne zwischen Dieter und mir auf jeden Fall bereit gewesen wäre, die Tournee zu Ende zu spielen. Ohne Wenn und Aber!
    Wie ich später aus seinem Umfeld hörte, fand er wohl rückblickend seine Reaktion auf meine Amerika-Auftritte etwas überzogen und wollte sie relativieren. Doch ich hatte endgültig die Schnauze von ihm voll. Hier fällt mir ein Zitat von Götz Kiso ein, der Dieter immer wieder folgendermaßen beschrieben hatte: „Woher soll ich wissen, was ich denke, wenn ich nicht gehört habe, was ich sage.“ Eine verbale Punktlandung.
    Unsere Plattenfirma und unser Konzertveranstalter verlangten von Dieter, dass er mit mir noch ein letztes Abschlusskonzert am 23. Juni auf der Wuhlheide in Berlin geben müsse.
    Selbstverständlich sagte ich zu. Wenigstens konnte ich unseren Fans so etwas zurückgeben, was ihnen auf übelste Art und Weise genommen worden war. Ich flog mit Claudia und ein paar Freunden am 23. Juni vormittags von Frankfurt nach Berlin – mit tausend Gedanken, die mir durch den Kopf gingen. Was würde wohl am Abend passieren? Mit welchen Waffen würde Dieter auf der Bühne kämpfen? Fair, von Mann zu Mann, oder hatte er sich wieder verbale Gemeinheiten ausgedacht, um am Ende selbstverliebt in die Kameras zu grinsen und mich als Deppen dastehen zu lassen?
    Auch auf der Fahrt zur Wuhlheide, wo das Konzert stattfand, war ich in Gedanken versunken. Wir alle kennen das Gefühl, wenn man auf dem Weg zu etwas Ungewissem und Unangenehmem ist. Einerseits wünscht man sich, der Weg dorthin wäre noch lang. Auf der anderen Seite möchte man schnell am Ziel sein, um alles rasch hinter sich zu bringen.
    Im Backstage-Bereich der Wuhlheide herrschte gespielte Heiterkeit. Egal, ob es meine Freunde waren oder Dieters Umfeld. Man versuchte sich aus dem Weg zu gehen. Und wenn man doch jemanden aus dem anderen Lager traf, nickte man sich kurz zu und schaute schnell wieder in die andere Richtung. Die Chefs unserer Plattenfirma beteten, dass es nicht zu einem Eklat kommen würde, da am Montag nach unserem letzten Modern-Talking-Konzert unser „Best of“-Album im Handel sein sollte. Und Missstimmung ist immer ein schlechter Verkäufer.
    Auch bei dieser Show wurde, mal wieder ohne mein Wissen, ein „Produkt“ von Dieter Bohlen auf die Bühne gebracht: Yvonne Catterfeld. Sie erlitt das gleiche Schicksal wie Alexander Klaws in Rostock und wurde vom Publikum ausgebuht.
    Die Nerven der Fans lagen blank. Über der ganzen Veranstaltung lag eine leichte Wehmut, und die Frage nach dem Warum war in allen Köpfen! Warum musste es so weit kommen? Intuitiv kannten alle die Antwort.
    Ich kann mich nicht mehr an viele Dinge während der Show erinnern. Ich weiß aber, dass es total verkrampft zuging. Dieter und ich setzten unser Modern-Talking-Lächeln auf und sahen auf der Bühne professionell aneinander vorbei. Die Ansagen zwischen den einzelnen Liedern klangen heiter wie immer. Hier mal Bezug nehmend auf den nächsten Song, dann mal wieder ein lockerer Spruch, der die Leute zum Lachen bringen sollte. Doch irgendwie wollte an dem Abend niemand lachen. Ich fühlte ganz stark mit dem Publikum. 16 000 Menschen, die alle Songs mitsangen, frenetisch jubelten, um sich dann dessen bewusst zu werden, dass sie sich mit jedem Song wieder ein Stückchen näher ans endgültige Ende applaudierten.
    In all unseren Shows während der vergangenen Jahre war jedes Mal der Titel „You’re My Heart, You’re My Soul“ unsere Zugabe. Von Millionen Menschen gekauft und von noch viel mehr Menschen geliebt. Egal, ob „Cheri Cheri Lady“, „Brother Louie“, „You are Not Alone“ – das Publikum wartete am Ende eines jeden Auftritts auf „You’re My Heart, You’re My Soul“. Dieter wusste, wie wir alle, dass nach „You’re My Heart …“ das allerletzte Konzert vorbei sein würde. Unwiderruflich vorbei! Doch nicht einmal in dieser Situation schaffte er es, über seinen Schatten zu springen und den Menschen etwas Gutes zu tun.
    Das Konzert näherte sich also dem Ende. Es war ausgemacht, dass wir nach „Cheri Cheri Lady“ gemeinsam von der Bühne gehen sollten, um dann zusammen für „You’re My Heart …“ noch einmal zurückzukommen. Ich weiß bis heute nicht, ob es kalkuliert war oder ob Dieters Nervenkostüm vielleicht doch nicht so stark war, wie er gerne vorgibt. Die letzten Töne von
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