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10 - Im Bann der Loge

10 - Im Bann der Loge

Titel: 10 - Im Bann der Loge
Autoren: Oliver Fröhlich
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zerschmettern in seinem Namen.«
    ***
    Yucatán, 1523
    Diego de Landa hätte nie damit gerechnet, aber es war geschehen. Sämtliche Mayavölker, selbst die Tutul Xiu, erkannten ihn als Kaziken von Ah Kin Pech an. Und nicht nur das! Sie alle, sogar jene, die die Vision des Untergangs nicht geteilt hatten, stimmten seinem Plan zu.
    Ein langer, steiniger Weg lag hinter ihm.
    Ein Weg, den ihm nicht zuletzt die Orakelpriester der Völker bereitet hatten. Denn sie waren es, die in ihren Zukunftsschauen immer wieder das Gleiche sahen: dass es für die Maya keine Zukunft gab!
    Sie wussten, dass die Ankunft der Spanier vor einigen Jahren den Anfang vom Ende markierte. Nicht mehr lange und an diesem Ort, an dem sie sich heute versammelt hatten, würden seine ehemaligen Landsleute eine Stadt gründen.
    Ja, ehemalige Landsleute. Diego de Landa fühlte sich schon lange nicht mehr als Spanier.
    Vor der Zeit des Untergangs in Hunderten von Jahren würden hier mehr Menschen leben, als er je gesehen hatte.
    Nein, die Maya besaßen keine Zukunft. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, wollte Diego de Landa ihnen nun auch noch die Vergangenheit nehmen.
    Es war ein harter Kampf gewesen, die Kaziken davon zu überzeugen, dass sie nur auf diesem Weg den Willen der Götter erfüllen konnten. Er hoffte, dass er sich nicht irrte.
    Er saß in seiner Hütte auf dem Fußboden. Eine Kladde lag auf seinen überkreuzten Beinen. Die Aufzeichnungen von Francisco Hernández de Córdoba, einem Schergen des falschen Gottes in Weiß. Ausgesandt, um die Maya für ihren Verrat zu bestrafen.
    Mit der flachen Hand strich er über den Umschlag. In ihm hatte er einen Hinweis auf Ts’onots Grab und den Armreif verborgen.
    Vor ihm lag die Niederschrift seines Lebens. Aus der Rinde des Xalama-Limón-Baumes gefertigte Bögen, eng beschrieben mit seinen Erinnerungen.
    Morgen, wenn die Zeremonie beendet war, würde er eine letzte hinzufügen und die Aufzeichnungen in die Grabhöhle schaffen. Dann lag es in den Händen der Götter, ob die Menschheit der Zukunft die Warnung verstand.
    Ts’onots Mutter Came betrat die Hütte. »Es ist so weit, Diegodelanda«, sagte sie. »Die anderen Könige warten auf dich. Die Zeremonie kann beginnen.«
    Der weiße Kazike seufzte, legte die Kladde vorsichtig zu Boden und stand auf. Taten sie wirklich das Richtige? Jetzt, wo eine Umkehr kaum noch möglich war, befielen ihn Zweifel.
    Was, wenn sie sich irrten? Wenn es sich bei den Visionen um Einflüsterungen des Weißen Schreckensgottes handelte, um so an den Himmelsstein zu gelangen? Was, wenn sie zwar recht hatten, sich aber im Zeitpunkt täuschten?
    Jeder von ihnen hatte den Sternenhimmel zum Augenblick des Untergangs gesehen. Doch als sie die Konstellationen am nächsten Tag in die Erde zeichneten oder in Stein kratzten, wichen ihre Erinnerungen zum Teil erheblich voneinander ab. Ihre Sternenschauer hatten ermittelt, dass zwischen der frühesten und der spätesten Darstellung über drei Jahre lagen!
    Noch einmal seufzte er. Nun war es ohnehin zu spät, sich Gedanken zu machen. Sie hatten sich auf einen Zeitpunkt geeinigt und bei dem würden sie nun bleiben.
    »Lass uns gehen«, sagte er zu Came.
    Seite an Seite verließen sie die Hütte.
    Nur kurz darauf erreichten sie den riesigen Haufen, den die Kaziken vor der Tempelpyramide aufgetürmt hatten.
    Wir müssen unsere Vergangenheit vernichten, um die Zukunft zu retten!
    Unmengen von Aufzeichnungen auf Tierhäuten, Schreibbögen aus Rinde und sonstigen Materialien. Alles, was je in Maya geschrieben wurde und von den Kaziken und Orakelpriestern innerhalb der letzten drei Jahre gesammelt werden konnte.
    Weit davon entfernt ruhte auf einem Stein die lächerliche Anzahl von dreizehn weiteren Dokumenten. Sie durften die Zeiten überdauern. Und nur sie!
    Diego de Landa schritt feierlich zu dem Feuer, um das die Chilam versammelt saßen und mit einem rituellen Gesang die Götter um ihr Wohlwollen baten. Er zog einen brennenden Ast daraus hervor, ging zu dem Berg, der die Vergangenheit der Maya darstellte, und hob den Ast über den Kopf.
    Der Gesang der Orakelpriester wurde lauter, eindringlicher, entrückter – und verstummte abrupt. In diesem Augenblick warf Diego de Landa die Fackel auf den Haufen.
    Die mit Harzen und Ölen getränkten Dokumente gingen sofort in Flammen auf. Nur wenige Minuten später brannte die Geschichte der Maya lichterloh.
    Das Feuer loderte während der ganzen Nacht. Niemand rührte sich vom Fleck. Erst
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