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0991 - Der Kopf des Vaters

0991 - Der Kopf des Vaters

Titel: 0991 - Der Kopf des Vaters
Autoren: Jason Dark
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ausbreiten, um sich irgendwann zu verlieren.
    Sie hatte gewußt, daß der Anruf erfolgen würde, und sie wäre enttäuscht gewesen, hätte man ihr nicht Bescheid gesagt. Das Paket war eingetroffen, Julia wußte jetzt Bescheid, und endlich konnte das Spiel weitergehen.
    Die alte Frau bewegte sich und streckte die Arme vor. Dann rieb sie ihre Hände gegeneinander. Dabei entstand ein ungewöhnliches Geräusch, als würde Papier gegen Papier reiben, um anschließend zerknittert weggeworfen zu werden.
    Gut war es gelaufen, sehr gut. Alles war so gekommen, wie sie es sich vorgestellt hatte, und sie merkte, wie das innere Feuer allmählich entfacht wurde.
    Es ging ihr wieder gut. Die alten Knochen spürte sie nicht. Mit ihren dreiundsechzig Jahren fühlte sie sich noch sehr fit, um das Erbe ihres Mannes übernehmen zu können.
    Wie lange hatte sie darauf gewartet!
    All die Jahre hatte sie mitgespielt und hatte so getan, von nichts zu wissen, aber das war vorbei. Ein für allemal. Jetzt würde sie ihren Weg gehen, und sie war sicher, sein Erbe übernehmen zu können. Dagegen würde die andere Seite wohl nichts haben.
    Sie stand auf. Langsam und bedächtig. Dabei schon mit sehr müden Bewegungen. Carina Sargasso mußte sich einfach so verhalten. Sie wollte alles sehr genau einstudieren, denn aus bestimmten Gründen mußte sie ihre wahre Stärke verdecken.
    Mit schlurfenden Schritten durchquerte sie den Raum, der nicht unbedingt groß war, ihr aber ausreichte. Zudem gehörte das Haus nicht zu den Prunkvillen mit Meerblick. Es lag mehr im Hinterland. Wenn sie das Meer hätte sehen wollen, dann hätte sie schon auf das Dach eines der in der Nähe liegenden Hotelbauten steigen müssen, denn von dort aus war der Blick ausgezeichnet und glitt bis hinüber an den Strand.
    Das brauchte sie nicht mehr in ihrem Alter. Außerdem kannte sie hier jeden Flecken Erde, und die ärgerte sich darüber, wenn wieder ein neuer Hotelbau entstand.
    Wo sie ihr kleines Haus am Hang gebaut hatten, lebten Einheimische und keine Urlauber. Nur wenige Fremde hatten hier ihre Häuser bauen lassen, und wenn, dann waren sie zumeist Spanier und kamen aus dem Landesinnern.
    Sie ging weiter. Gebückt, gebrechlich wirkend, umhüllt von einer schwarzen Mantilla, die sich kaum von der ebenfalls dunklen Kleidung abhob. Sie hatte sich für das graue Kleid entschieden, das bis zum Hals geschlossen war. Ein weiter Rock verbarg die Beine, und der Saum des Rocks wischte ab und zu über den Boden.
    Carina Sargasso verließ das Wohnzimmer und betrat den schmalen Flur.
    Er war gewissermaßen das Zentrum des Flachdachhauses. Von hier aus konnte sie über die Holztreppe hinweg in die erste Etage gehen, wo es noch drei Räume gab, aber sie konnte auch eine Steintreppe hinab in den Keller laufen.
    Nicht alle Häuser in der Nähe waren unterkellert. Die Sargassos hatten beim Bau darauf bestanden, einen Keller zu bekommen, auch wenn dies sehr teuer gewesen war, denn man hatte diese Räume in den blanken Fels hineinschlagen müssen.
    Durch das Wohnzimmerfenster waren noch die Schatten einer bläulichen, beinahe schon tropischen Nacht gefallen, selbst wenn auch hier der Herbst zu spüren war und er den ersten Regen sowie Gewitter mitgebracht hatte. Im Flur jedoch war es fast stockfinster. Die beiden schmalen, vergitterten Fenster verdienten den Namen kaum. Von außen her drückte die finstere Nacht gegen die Scheiben.
    Die Frau warf einen kurzen Blick nach draußen. Nichts bewegte sich dort. Es war still, und der Vorgarten mit den kargen Büschen lag eingehüllt wie in einen dunkelblauen Nebel.
    Sie lebte in einer idealen Gegend. Es gab zwar Nachbarn, man kannte sich auch, aber niemand kümmerte sich hier um den anderen. So konnte jeder sein eigenes Leben leben, ohne daß er unter Kontrolle stand.
    Plötzlich gefiel ihr die Dunkelheit im Haus nicht mehr. Nur einen Schritt mußte sie gehen, um den Lichtschalter zu erreichen. Sie betätigte ihn.
    Unter der Decke wurde eine Lampe hell. Sie sah aus wie eine flache Suppenschale und wurde von zwei schmiedeeisernen Armen gehalten.
    Das Licht reichte völlig aus. Es erhellte auch die Fläche eines Spiegels, auf den die Frau zuschritt. Sie ließ sich Zeit dabei, betrachtete sich aus einer gewissen Entfernung, kam näher und sah sich immer deutlicher.
    Hätte jetzt ihre Tochter neben ihr gestanden, und wäre noch ein Beobachter hinzugekommen, so hätte er ohne weiteres die Ähnlichkeit zwischen beiden Frauen feststellen können.
    Auch
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