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0955 - Der Gruftie

0955 - Der Gruftie

Titel: 0955 - Der Gruftie
Autoren: Jason Dark
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will nicht so weiterleben. Das Band zwischen meinem Halbbruder ist wirklich sehr stark. Man kann es nicht durchschneiden, sondern nur brutal zerreißen. Das weiß ich, und danach werde ich mich auch richten. Auch wenn ihr es nicht wahrhaben wollt. Ich weiß, daß ich nur diesen einen Weg gehen kann.«
    »Sie sind verrückt!« wiederholte ich mich.
    »Halt dein Maul, Sinclair! Ich weiß genau, was ich tue.«
    Er wußte es. Sein Finger lag am Abzug des stupsnasigen Revolvers amerikanischer Produktion.
    Er schaute auf seinen Halbbruder. Es war ein Blick des Abschieds, und seine Worte paßten dazu.
    »Du hast nicht gewonnen, Gordon, es läuft nicht so, wie du es dir vorgestellt hast. Ich bestimme die Regeln, auch für mich persönlich.«
    Ich dachte darüber nach, ob ich noch eine Chance hatte. Die Beretta hielt ich fest, aber die Mündung wies nicht auf Waterman, da ich kein Risiko hatte eingehen wollen. Die Beretta anzuheben, zu zielen und zu schießen, das hätte mich relativ viel Zeit gekostet.
    »Schade«, sagte Waterman, »aber es gibt keine Lösung mehr. Entweder keiner oder beide.«
    Dann schoß er sich in den Kopf!
    ***
    Es war eine schreckliche Szene, die wir als unfreiwillige Zuschauer miterlebten. Die Kugel tötete Waterman auf der Stelle. Er blieb in seinem Sessel hocken, wobei er nur langsam zu Seite kippte, dann nach vorn fiel und auf den Schreibtisch prallte. Das aus seiner Kopfwunde sickernde Blut breitete sich darauf aus.
    Und der Gruftie?
    Wir sahen, daß alles stimmte, was uns Waterman berichtet hatte.
    Der Gruftie fühlte sich seinem menschlichen Halbbruder nicht mehr verbunden. Das Band zwischen den beiden war zerschnitten. Plötzlich sahen wir, daß er zu verwesen begann. Er stand zwar noch auf derselben Stelle, aber sein Gesicht wurde von einer inneren Kraft zerstört. Es zerfiel vor unseren Augen, und dieser Anblick war wirklich nichts für schwache Nerven.
    Die Haut verwandelte sich in eine Soße, die an den Knochen entlanglief, die plötzlich zu sehen waren. Bleichbraunes Gebein schimmerte hindurch. Die Knochen, mochten sie auch noch so hart sein, lösten sich allmählich auf, und auch die hellen Haare wurden zu einer schmierigen Masse, die in eine Mulde sickerten, wo sich einmal die Schädeldecke befunden hatte.
    Es war der letzte Druck, der ausreichte, um den Schädel vollständig zu zerstören. Er fiel zu Boden, und zugleich sackte das gesamte Gerippe ein.
    Die weiche Masse legte sich wie dicker Gelee auf den Rest. Es war ein letzter Rest, ein makabres Denkmal der Verwesung und die Folge eines uralten und fremden Fluchs, der sich auf dem Teppich ausgebreitet hatte und von einer dünnen Rauchspur umweht wurde.
    Ich stieß die Luft aus und steckte die Beretta weg. Dann ging ich auf Jane zu, die inzwischen bei den Conollys stand. Ich hob die Schultern an. »Seltsam«, sagte ich, »fragt mich aber nicht, wie ich mich fühle. Das Leben hält immer wieder Überraschungen bereit. Manchmal ist es eben nicht möglich, die Dinge so durchzuziehen und zu vollenden, wie man es sich vorgenommen hat.«
    »Wir waren Statisten«, sagte Jane.
    »Ja, und andere haben die Fäden gezogen.«
    »Und es war besser so für beide«, erklärte Bill. »Das wäre für den einen und auch für den anderen kein Leben gewesen.«
    Niemand hatte gegen diesen Abschluß etwas einzuwenden…
    ENDE
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