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0935 - Tochter der Dunkelheit

0935 - Tochter der Dunkelheit

Titel: 0935 - Tochter der Dunkelheit
Autoren: M.H. Rückert
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wusste, dass es ihrer Schwester genauso erging wie ihr. Auch Tanera konnte sich mit den Wachdiensten nicht so recht anfreunden; genau wie Ling wäre auch sie lieber in einen Kampf gezogen und hätte Ruhm und Ehre erhalten. Aber im Gegensatz zu Ling war Tanera Pragmatikerin. Sie war leichter zufriedenzustellen und beklagte sich seltener über das ihr zugedachte Schicksal. Sie glaubte immer daran, dass es noch schlimmer kommen könnte und hoffte, dass es bald besser werden würde.
    Manchmal beneidete Ling ihre Schwester für deren Einstellung. Damit kam man im Leben leichter durch als mit steter Unzufriedenheit und dem Gefühl, immer besser als andere sein zu wollen. Aber sie konnte nichts dagegen unternehmen, das war eben ihr Naturell.
    Ihr linker Oberarm juckte genau dort, wo sich der implantierte Glücksdrache befand. Ling kratzte sich gedankenverloren an dieser Stelle. Sie spürte, dass das unbegreifliche Wesen, das Stygia ihr aufoktroyiert hatte, unruhig wurde. Mehr noch, es übertrug diese Unruhe auf seine Trägerin. Ling hatte schon mehrere Einsätze durchgeführt und dank der Tätowierungen auch stets gesund überstanden. Die beiden Glücksdrachen waren zwei halbmagische Wesen, die ihre Energie vor allem aus Ling bezogen. Jedes Mal wenn einer der Drachen aus ihrer linken Körperseite herausgeschlüpft und mit ihr gekämpft hatte, fühlte sich die Amazone, nachdem der Drache sich wieder mit ihr vereinigt hatte, zu Tode erschöpft und benötigte viele Stunden, bis sie sich wieder einigermaßen erholt hatte.
    Ein matt irisierendes Wesen saß auf ihrer Schulter. Karon, ein Irrwisch, der sie seit einiger Zeit begleitete.
    Irrwische sahen aus wie leuchtende Wattebäusche von zehn bis allerhöchstens fünfzehn Zentimeter Größe, aus denen zwei winzige Arme und Beine ragten. Wozu sie die Beine überhaupt benötigten, wusste Ling nicht, denn die kleinen Gesellen schwebten zumeist durch die Luft. Ein Gesicht konnte man aufgrund der Kleinheit kaum erkennen, aber die Stimmungslage eines Irrwischs ließ sich leicht durch die Art seines Leuchtens erraten. Je strahlender ein Irrwisch erschien, umso wohler fühlte er sich. Das Gegenteil dazu bildete ein matter, trüber Glanz. Irrwische gehörten zu den niedersten Wesen der Hölle und dienten den Dämonen meist als Frustkiller. Die kleinen Wesen besaßen keine Eigennamen, doch sie erkannten sich selbst an den verschiedensten Geschmackseigenarten. Und der Geschmack von Lings Freund wurde von seinesgleichen Karon genannt - was immer das auch bedeuten sollte. Für Ling war die Hauptsache, dass der Kleine überhaupt einen Namen besaß und sie ihn nicht mit »He du!« anreden musste.
    »Weshalb bloß hat uns die Herrin weggeschickt?«, fiepte Karon. Für seine Begriffe schrie er, aber anders hätte Ling ihn kaum gehört. Sie unterdrückte ein Grinsen, damit Karon sich nicht ausgelacht fühlte.
    »Sie hat mich geschickt«, verbesserte sie ihren irrlichternden Freund. »Du bist nur dabei, weil du sonst vor Neugier platzt. Von dir hat sie bis jetzt keinerlei Notiz genommen. Wahrscheinlich weiß sie gar nicht, dass du existierst.«
    »Stimmt ja gar nicht«, grummelte Karon. »Oder wenn, dann nur ein bisschen.«
    Nun musste Ling doch lächeln. Anfangs war ihr der Kleine auf die Nerven gegangen, aber mittlerweile konnte sie sich Einsätze ohne ihn kaum noch vorstellen. Hatten ihre Kriegsschwestern zuerst noch gestichelt, weil Ling den Irrwisch so oft mitgenommen hatte, so war Karon aufgrund der Erfolge, die er erzielt hatte, mittlerweile doch stark in ihrer Achtung gestiegen.
    »Soll ich schon mal vorfliegen?«, erkundigte sich Karon und stieg einige Meter in die Höhe. »Vielleicht gibt's ja etwas Interessantes zu sehen.«
    »Solange wir dich nicht irgendwo heraushauen müssen, gern«, stichelte Ling. »Außerdem sind wir sowieso gleich da. Und ob du mit der Geschwindigkeit unserer Saurier mithalten kannst, halte ich für leicht übertrieben.«
    »Dann gehe ich lieber mit euch.« Karon war mit dem Mundwerk immer größer als mit seinem Mut. Sobald Kämpfe drohten, war er der Erste, der verschwand.
    »Dort unten beginnt Vassagos Reich!«, rief die Amazone rechts von ihnen.
    Ling nickte, sie gab mit den Händen das Zeichen, dass alle Flugsaurier landen sollten. Am Rand der Lavaflüsse gingen sie nieder. An zehn Meter hohen, verkrüppelt aussehenden Bäumen hingen schwarze Teufelsfrüchte. Sie hatten Birnenform und waren mit Dornen und Stacheln übersät. Die Flugsaurier schmatzten und
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