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0906 - Das Vermächtnis der Hexe

0906 - Das Vermächtnis der Hexe

Titel: 0906 - Das Vermächtnis der Hexe
Autoren: Oliver Fröhlich
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zwischen Tür und Wand war nur durch eine wenige Millimeter tiefe Rille angedeutet.
    »Häh?«, stieß Rhett aus. »Was soll das denn jetzt wieder?«
    Er lief in den nächsten Waggon, in den übernächsten und in den danach. Überall war das Ergebnis das gleiche: Wände, in die der Anschein von Türen hineinmodelliert worden war.
    Was ging hier vor? Was war mit diesem Zug los? Warum war niemand hier? Und wo zum Teufel war hier überhaupt?
    »Hallo?«, rief er wider besseres Wissen. »Ist hier jemand?«
    Keine Antwort.
    Tränen stiegen ihm in die Augen.
    Was war nur geschehen? Wie war er hierher gekommen? Hatten Zamorra oder William ihn einfach in diesen Zug gesetzt? Aber warum hätten sie das tun sollen? Nein, dieser Gedanke war absurd!
    Er ging den Weg zurück, den er gekommen war. Erst langsam, dann schneller. Schließlich rannte er.
    »Hallo?«, schrie er immer wieder. »Ist hier jemand? Hallo? Irgendjemand? Bitte!«
    Er rannte und rief. Doch mit jedem Schritt verwandelte sich das Rufen mehr in ein Schluchzen.
    Rhett erreichte einen Waggon, der keine Glastür auf der anderen Seite hatte. Das Ende des Zugs!
    Abrupt bremste er ab und schlich durch diesen letzten Waggon.
    »Hallo?«, wimmerte er. »Ist da wer? Bitte, irgendjemand muss doch hier sein!«
    Er drehte sich um und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Dann sank er daran herunter. Als er auf dem Boden kauerte, umklammerte er die angewinkelten Beine mit den Armen und vergrub den Kopf zwischen den Knien.
    Der Sprint durch den Zug, die Aufregung und das Unwirkliche dieser Situation ließen sein Herz rasen wie ein außer Kontrolle geratener Presslufthammer. Sein ganzer Körper erbebte unter stummem Schluchzen.
    So kannte Rhett sich gar nicht! Er hatte schon weitaus schlimmere Situationen bewältigt, ohne gleich in Tränen auszubrechen. Doch da hatte er auch konkreten Gefahren gegenübergestanden und oft gar keine Zeit gehabt, über seine Lage nachzudenken. Hier jedoch, getrennt von allen, die ihm etwas bedeuteten - und vielleicht nicht nur von ihnen getrennt , sondern sogar von ihnen alleine gelassen ! -, ohne eine Ahnung, wie er hierher gekommen war, fühlte er sich klein, hilflos und völlig überfordert.
    Was soll ich denn jetzt tun? Ich will nach Hause! Ich will nicht in diesem blöden Geisterzug sitzen! Ich will heim ins Château Montagne, ein bisschen im Pool planschen, mit Fooly rumalbern, in meinem Zimmer eine Cola trinken, etwas fernsehen oder mich einfach nur tierisch langweilen. Egal was! Nur raus aus diesem dämlichen Zug! Ich bin doch nur ein Kind!
    Nein , schalt er sich im nächsten Augenblick. Du bist nicht nur ein Kind. Du bist der Erbfolger. Du hattest schon mit Vampiren, Gespenstern, Seeungeheuern - und was weiß ich für Wesen zu tun. Du wohnst mit einem Drachen unter einem Dach. Die Mächte der Hölle wollen dir ans Leder, weil du das bist, was du bist! Und das ist nur das, was dir in diesem Leben passiert ist. Von den Hunderten deiner vorherigen Leben gar nicht erst zu reden! Und du hast Angst vor so einem blöden Zug? Reiß dich zusammen! Hör auf mit dem Geflenne! Wie oft hast du deine Mutter schon gebeten, dich nicht wie ein kleines Kind zu behandeln? Wie oft hast du ihr gesagt, dass du schon längst erwachsen bist? Dann benimm dich jetzt auch dementsprechend!
    Rhett hob den Kopf. Der Jeansstoff war an den Knien nass von Tränen und Rotz.
    Was ist los mit dir? Als du die Schwertlady geköpft hast, warst du nicht so eine Memme! Nicht so ein Mädchen!
    Da wusste ich auch, gegen wen ich zu kämpfen habe! Aber hier…
    Kein Aber! Reiß dich zusammen!
    Es stimmte! Dieses Verhalten war eines Lord Saris nicht würdig! So benahm sich der Erbfolger nicht!
    Der Gedanke an die Erbfolge ließ ihn etwas ruhiger werden. Sie bedeutete, dass er neun Monate vor seinem Tod, dessen Zeitpunkt ihm sehr genau bekannt war, einen Sohn zeugen musste. Bei dessen Geburt wechselte die Seele des Lords vom Vater auf den Sohn über, sodass der Erbfolger als sein eigenes Kind wiedergeboren wurde. Dabei dauert jedes neue Leben exakt ein Jahr länger als das jeweils vorhergehende!
    Für Rhett Saris bedeutete das, dass er 266 Jahre alt werden würde. Zu seinen Aufgaben gehörte es, einmal in seinem Leben einem Auserwählten die relative Unsterblichkeit zu gewähren. Hierzu führte er alle Auserwählten zur Quelle des Lebens, wo einer von ihnen unsterblich wurde - und seine Konkurrenten dafür zu töten hatte. In seiner vorigen Existenz als Sir Bryont Saris hatte er
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