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090 - Die Totenwache

090 - Die Totenwache

Titel: 090 - Die Totenwache
Autoren: Dämonenkiller
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stand Ys-Dahut vor mir. Bis auf die zierlichen Goldreifen und das schimmernde Vlies war sie völlig nackt. Ihre goldenen Haare ringelten sich über die geschwungenen Schultern. Sie streckte ihre Hand nach mir aus, und ich spürte den starken sinnlichen Reiz, der von ihr ausging.
    „Du wirst den schrecklichen Wächter vernichten, Dorian!"
    „Du versprichst dir sehr viel von mir, Ys-Dahut."
    „Nicht zuviel, Dorian. Wenn man bedenkt, daß du meinen Spiegel besitzt!"
    Ich wußte instinktiv, daß sie im Grunde gar nicht an mir interessiert war. Sie wollte nur den Spiegel haben. Sie gierte förmlich danach. Ihre Rechte verkrampfte sich. Dann lösten sich die Finger, und sie deutete auf mein geöffnetes Hemd. Der Griff des Spiegels ragte heraus.
    „Ich muß ihn wiederhaben, Dorian! Gib ihn mir jetzt! Hörst du? Gib ihm mir auf der Stelle!"
    Ohne daß ich mir über die Folgen meines Tuns klar war, zog ich den Spiegel heraus. Ihre Augen leuchteten begehrlich auf.
    „Komm schon - gib mir den Spiegel, Dorian!"
    „Was bedeutet dir der Spiegel?" fragte ich.
    „Sehr viel, Dorian! Fast alles auf der Welt. Ich leide entsetzliche Qualen. Nicht nur der Wächter beherrscht mein Dasein. Auch die Qual, den Spiegel nicht mehr zu besitzen, macht mir das Leben zur Hölle. Ohne den Spiegel bin ich hilflos. Gib ihn mir, Dorian! Dann wird meine größte Qual ein Ende haben. Schließlich kann ich Luguri zu Hilfe rufen. Für uns drei werden herrliche Zeiten anbrechen. Verstehst du? Der Spiegel ist der Schlüssel zur Glückseligkeit."
    Ich schob den Spiegel wieder unter mein Hemd. Sie machte ein enttäuschtes Gesicht.
    „Wir drei, Ys-Dahut? Ich dachte, wir zwei könnten das neue Leben allein genießen."
    Die blonde Hexe wußte, daß sie einen Fehler gemacht hatte. Sie hätte Luguris Namen nicht erwähnen sollen. Mit einem Wutschrei auf den Lippen sprang sie auf mich zu. Ein kalter Hauch ging von ihrem reizvollen Körper aus. Ich trat beiseite. Sie fuhr katzenhaft herum. Ihre Augen versprühten einen dämonischen Glanz.
    „Gib mir den Spiegel! Ich will ihn jetzt haben."
    „Nein, Ys-Dahut. Es ist noch längst nicht alles besprochen worden."
    Sie machte erneut den Versuch, mir den Spiegel zu entreißen. Dabei wurde ich den Verdacht nicht los, daß sie mir nichts anhaben konnte. Ich' mußte ihr den Spiegel freiwillig geben. Sonst würde sie ihn niemals bekommen.
    Lockend zeigte ich ihr den Spiegel.
    Darüber geriet sie in Raserei. Sie stieß Verwünschungen in der fremden Sprache hervor, die schon seit mehr als sechstausend Jahren nicht mehr gesprochen wurde.
    „Gib mir den Spiegel, Verfluchter!"
    „Hol ihn dir doch, Hexe!"
    Plötzlich löste sich ein Schatten aus dem Buschwerk. Abi Flindt schwang einen abgerissenen Ast und drang damit auf Ys-Dahut ein. In seinen Augen stand kalter Haß.
    „Halt, Abi! Sie wird uns gleich verraten, was es mit dem Spiegel auf sich hat!"
    Doch der Däne hörte nicht auf mich. Aufbrüllend rannte er weiter.
    „Laß den Unsinn, Abi! Damit kannst du sie nicht mal ankratzen."
    „Der Dämon muß vernichtet werden! Er darf keinen weiteren Schaden anrichten!"
    Ich rannte hinter dem Dänen her. Weiter hinten hörte ich Yoshi und Gunnarsson durch das Buschwerk brechen.
    Dann erwischte ich Flindt am Ärmel. Nur noch einen Meter weiter, und er hätte die Hexe erreicht. Ich wagte mir nicht vorzustellen, was dann geschehen wäre.
    Abi warf mir einen wütenden Blick zu. Er wollte nach mir treten, doch ich wich ihm geschickt aus. Dann schwang er den schweren Ast wie eine Keule herum. Ich duckte mich und schlug zu. Meine Rechte traf seine Kinnspitze. Ohne einen Wehlaut ging der Däne zu Boden.
    Als ich der blonden Hexe nachsah, verschwand sie gerade zwischen den hohen Baumstämmen. Sie eilte auf die viktorianische Villa zu. Das matte Leuchten einer teuflischen Flamme umspielte ihren Körper. Ihr häßliches Lachen hallte in meinen Ohren wider.
    „Du hättest mir den Spiegel geben sollen. Dorian! Jetzt kann ich dich und deine Freunde nicht länger schonen. Ich hetze meinen Wächter auf euch. Er wird einen nach dem anderen töten. Nehmt euch vor seinem Schwert in acht! Es verwandelt jeden in meinen niedrigsten Sklaven. Ihr werdet bis ans Ende aller Zeiten mit mir zusammen durch die Ewigkeit ziehen."
    Magnus Gunnarsson blieb hinter mir stehen.
    „Gut, daß Sie der Hexe den Spiegel nicht gegeben haben, Hunter! Wenn sie ihn erst mal in der Hand hat, sind wir alle verloren. Dann bricht eine Zeit an, die schlimmer als die
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