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09 - Old Surehand III

09 - Old Surehand III

Titel: 09 - Old Surehand III
Autoren: Karl May
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ausdruckslos.
    „Sieh mich an! Sieh mich an! Du mußt mich doch wiedererkennen!“
    Sie blickte aber gar nicht auf.
    „Sagt den Namen Eures jüngsten Sohnes!“ flüsterte ich Kolma Putschi zu.
    „Tokbela, horch!“ sagte sie. „Fred ist da. Fred Bender ist hier!“
    Da richtete die Irre den Blick auf sie, sah ihr lange, lange, leider verständnislos, in das Gesicht und wiederholte aber doch den Namen:
    „Fred Bender – – – Fred Bender!“
    „Kennst du Etters, Daniel Etters?“
    Sie schüttelte sich und antwortete:
    „Etters – – – Etters – – – böser Mann – sehr böser Mann!“
    „Er hat unsern Wawa Derrick ermordet? Hörst du? Wawa Derrick!“
    „Wawa Derrick! Wo ist mein Myrtle-wreath, mein Myrtle-wreath?“
    „Der ist weg, fort; aber ich bin hier, deine Schwester Tehua Bender.“
    Da kam doch ein wenig Leben in das Auge der Squaw. Sie fragte:
    „Tehua Bender? Tehua Bender? Das – das ist meine Schwester.“
    „Ja, deine Schwester! Sieh mich an! Schau mich an, ob du mich kennst!“
    „Tehua – Tehua – – – Tokbela, Tokbela, die bin ich, ich, ich!“
    „Ja, die bist du! Kennst du Fred Bender und Leo Bender, meine Söhne?“
    „Fred Bender – Leo Bender – – – Fred ist mein, ist mein, mein!“
    „Ja, er ist dein. Du hattest ihn lieb.“
    „Lieb – sehr lieb!“ nickte sie, indem sie freundlich lächelte. „Fred ist mein Boy. Fred – – – auf meinem Arm – – – an meinem Herzen!“
    „Du sangst ihm gern das Wiegenlied.“
    „Wiegenlied – – – ja, ja, Wiegenlied – – –!“
    „Dann holte dich unser Wawa Derrick mit ihm und Leo ab, nach Denver. Hörst du mich? Wawa Derrick brachte euch nach Denver!“
    Dieser Name erweckte Erinnerungen in ihr, aber keine angenehmen. Sie schüttelte traurig den Kopf, legte die Hand auf denselben und sagte:
    „Denver – Denver – – – da war mein Myrtle-wreath – in Denver.“
    „Besinne dich; besinne dich! Sieh mich doch an; sieh mich doch an!“
    Sie legte ihr die Hände an beide Seiten des Kopfes, drehte denselben so, daß die Irre sie ansehen mußte, und fügte hinzu:
    „Sieh mich an und sag meinen Namen! Sag mir jetzt, wer ich bin!“
    „Wer ich bin – – –! Ich bin Tokbela, bin Tibo wete Elen!“
    „Wer bist du – – –?“
    „Wer bist du – du – du –?“ Jetzt sah sie die Schwester mit einem Blick an, in welchem Bewußtsein und Wille lag; dann antwortete sie: „Du bist – – – bist ein Mann – bist ein Mann.“
    „Mein Gott, sie kennt mich nicht, sie kennt mich nicht!“ klagte Tehua.
    „Ihr fordert zu viel von ihr“, sagte ich. „Man muß abwarten, bis ein lichter Augenblick kommt; dann ist mehr Hoffnung vorhanden, daß sie sich besinnt; jetzt aber ist's vergebliches Bemühen.“
    „Arme Tehua, arme, arme Schwester!“
    Sie zog den Kopf der Squaw an ihre Brust und streichelte ihr die faltigen, hohlen Wangen. Diese Liebkosung war für die Unglückliche eine solche Seltenheit, daß sie die Augen wieder schloß und ihrem Gesicht einen lauschenden Ausdruck gab. Das dauerte aber nicht lange. Die Aufmerksamkeit verlor sich schnell und machte der seelenlosen Leere Platz, welche gewöhnlich auf diesem Gesicht zu finden war.
    Da beugte sich Apanatschka zu seiner Mutter hinüber und fragte:
    „War Tokbela schön, als sie jung war?“
    „Sehr schön, sehr!“
    „Ihr Geist war damals stets bei ihr?“
    „Ja.“
    „Und war sie glücklich?“
    „So glücklich wie die Blume auf der Prärie, wenn die Sonne ihr den Tau aus dem Angesicht küßt. Sie war der Liebling des Stammes.“
    „Und wer nahm ihr ihr Glück, ihre Seele?“
    „Thibaut, der dort am Baum hängt.“
    „Das ist nicht wahr!“ rief dieser, der natürlich jedes Wort gehört hatte, welches gesprochen worden war. „Ich habe sie nicht wahnsinnig gemacht, sondern Euer Bruder ist's gewesen, als er unsere Trauung unterbrach. Ihm müßt Ihr die Vorwürfe machen, aber nicht mir!“
    Da stand Schahko Matto auf, stellte sich vor ihn hin und sagte:
    „Hund, wagst du noch, zu leugnen! Ich weiß nicht, wie die Bleichgesichter fühlen und wie sie sich lieben, aber wenn du dieser Squaw niemals begegnet wärest, so hätte sie ihre Seele nicht verloren und wäre so glücklich geblieben, wie sie vorher war. Es erbarmt mich ihr Auge, und ihr Gesicht tut mir weh. Sie kann dich nicht anklagen und keine Rechenschaft von dir fordern; ich werde es an ihrer Stelle tun. Gestehst du, uns damals
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