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0897 - Monster-Maar

0897 - Monster-Maar

Titel: 0897 - Monster-Maar
Autoren: Simon Borner
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leichter Bartschatten zog sich über sein Kinn. Lessbrück sah schlecht aus, unausgeruht, besorgt - und auf eine Art, die Zamorra nicht näher bestimmen konnte, verängstigt. Vielleicht auch überfordert.
    »Monsieur Zamorra«, sagte er schwach und zwang ein Lächeln auf seine Lippen, dem seine Augen nicht folgen wollten. »Haben wir Sie geweckt?«
    Der Meister des Übersinnlichen winkte ab. »Was ist passiert, wenn ich fragen darf?«
    »Es… es ist Hedi. Sie hatte vorhin einen Herzinfarkt.« Lessbrück hob abwehrend die Hände, als er Zamorras erschrockenen Blick bemerkte. »Nicht doch, sie kommt wieder auf die Beine. Das hat der Arzt versprochen. Es war wohl nur der Schreck, verstehen Sie?«
    Zamorra verstand nur wenig, wollte aber auch nicht indiskret sein und weiter drängen. Sein Wirt war zu ihm getreten und schien das Schweigen des Franzosen als Aufforderung zum Weiterreden zu interpretieren. Lessbrück brauchte jemanden, der zuhörte. Doch ein sechster Sinn sagte Zamorra, dass es ihm dabei nicht allein um seine kranke Mutter ging. Bei weitem nicht.
    Ihre Blicke trafen sich, und der stämmige Eifler Gastwirt legte dem Professor eine Hand auf die Schulter. »Kann ich Ihnen etwas zeigen, Monsieur? Etwas, von dem sie den anderen Gästen aber nichts erzählen dürfen?«
    »Natürlich«, sagte Zamorra leise, und mit einem unguten Gefühl in der Magengegend folgte er Lessbrück in den Schankraum.
    ***
    »Eine Geheimnummer«, sagte Polizeihauptkommissar Michael Baumeister, griff zielstrebig über den Schreibtisch und nahm sich ein labberiges Käsebrötchen aus einer hellblauen Tupperdose, die neben dem Telefon stand. Herzhaft biss er hinein und fuhr laut mampfend fort. »Ist doch 'ne ganz klare Sache: Raus aus dem Telefonbuch, und schon ist Ruhe.«
    Krümel flogen aus seinem Mund, verfingen sich in seinem struppigen Vollbart und verteilten sich großzügig über die Schreibunterlage und die diversen Paperstapel, deren Inhalt und Ordnungssystom eher ein anarchistisch-chaotisches Konglomerat aus Instinkt, Zufall und Ignoranz war, das er stolz »Häufchen-Wirtschaft« nannte. Wohl nur Baumeister selbst blickte da noch durch.
    Astrid Lessbrück gab sich Mühe, die fliegenden Speisereste zu ignorieren. Sie war es gewohnt, dass Baumeisters Hälfte ihres gemeinsamen Doppeltisches wanderte , dass seine Unterlagen und Ablagen immer weiter auf ihren Bereich des Möbels vordrangen und auch dort immer mehr Land gewannen, wie eine Invasion feindlicher Soldaten. Und wenn schon der Boden die Segel vor dem Aggressor strich, warum sollte es dem Luftraum anders ergehen? Astrid befand sich in ihrem gemeinsamen Büro auf der Polizeidirektion Mayen, hatte trotz der frühen Stunde schon den zweiten großen Kaffee des Tages hinter sich, und ihre Laune besserte sich noch immer nicht. Zugegeben: Baumeisters ständige, besserwisserische Kommentare machten es ihr auch nicht gerade leicht.
    Seit zwei Jahren arbeitete sie bereits mit dem gut sechzigjährigen Beamten zusammen - wenn man es überhaupt so nennen konnte. Baumeister war kein Mann, der sich bei seinen Handlungen von anderen beeinflussen ließ. Der großväterlich aussehende, passionierte Junggeselle mit den schneeweißen Haaren, dem kurz geschnittenen Vollbart und der Vorliebe für edlen Pfeifentabak machte seinen Job schon so lange, dass er für viele Bürger dieser Region schlicht »die Polizei« war. Wenn sie an ihre Freunde und Helfer dachten, gab es insbesondere für die älteren Eifelaner der Mayener Umgebung nur ein Bild, nur einen Namen: »Baumeisters Mechel.« Hatte man erst einmal einen solchen Legendenstatus erreicht, war es mit der Selbstkritik nicht mehr weit her.
    »Am besten rufst du gleich an und klärst das mit den Telekomikern«, sagte Baumeister mit vollem Mund, und schenkte Astrid einen Blick, der wohl schalkhaft wirken sollte. Es war, als warte er auf Applaus.
    Telekomiker, dachte Astrid seufzend. So alt du auch bist, Michael, deine Witze sind älter.
    »Das ist es nicht allein«, sagte sie. »Diese nächtlichen Anrufe sind störend, klar, aber auch… noch mehr. Irgendwie.«
    »Irgendwie was?«, fragte ihr Gegenüber und nahm einen tiefen, schlürfenden Schluck aus seiner dampfenden Kaffeetasse mit der Aufschrift Ich Chef, du nix - ein weiterer Ausdruck seines begnadet humoristischen Wesens.
    Astrid zögerte. Wenn sie ihm gestand, dass die Anrufe sie ängstigten, war ihr Tag gelaufen. Dann würde Baumeister sie bis zum Feierabend damit aufziehen; ach was, bis zur
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