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089 - Lebende Leichen

089 - Lebende Leichen

Titel: 089 - Lebende Leichen
Autoren: Larry Brent
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den offenen Eingang gerichtet, aber sie sah nur den Kiesweg, ein Stück Rasen, einige dunkle Räume.
    Was sie nicht sah, war die dunkle Gestalt, die draußen, unweit des Kiesweges, hinter einem dichten Gebüsch kauerte. Fast unbeweglich. So stand sie seit mehr als einer halben Stunde.
    Der Nachtwind wehte dem Wartenden das strähnige weiße Haar ins Gesicht, und weiß war auch der Bart, der sein Gesicht umrahmte.
    Als um elf Uhr zehn der Tote im Eingang des Krankenhauses erschien und mit seinen nackten Füßen die Stufen in den Park hinuntertappte, schlug der Mann hinter dem Gebüsch für einen Augenblick beide Hände vor sein Gesicht, als überwältigte ihn dieser Anblick. Dann starrte er dem Toten mit glühenden Augen nach, bis er ihn nicht mehr sah.
    Als Schwester Marion den Telefonhörer auflegte und ihren Stuhl zurechtrückte, war die Stelle hinter dem Gebüsch leer.
     
    ●
     
    In derselben Nacht passierte ein weiteres Ereignis. In einer armseligen Straße der winkligen Altstadt.
    Am späten Nachmittag hatte man die sechsjährige Susi Matlehner am Wehr des Mühlbaches aus dem Wasser gezogen. Nach über einer Woche Regen war das Rinnsal zu einem zwei Meter breiten wilden Bach angeschwollen.
    Das Kind hatte sich nach seinem Ball gebückt, der an das Ufer gerollt war. Es verlor die Balance, und das schmutzige Wasser riß es mit sich fort. Erst am Wehr hatte man die Kleine herausgeholt. Es war längst zu spät.
    Man brachte das tote Kind zu seinen Adoptiveltern. Fassungslos hatten es die beiden älteren Leute in seinem Bett aufgebahrt. Am Abend erschien der Polizeiarzt Dr. Abel, um die Todesurkunde auszufüllen.
    Minutenlang saß der etwa 50jährige, kahlköpfige Mann schweigend neben dem Bett. Es war der zweite tödliche Unfall innerhalb von neunzig Minuten: erst der Monteur mit seinen schwarzverbrannten Händen, dann das kleine Mädchen, das wie schlafend dalag. Dr. Abel konnte in diesem Augenblick nicht voraussehen, daß man ihn in einigen Stunden zu einem dritten Toten rufen würde.
    Das Ehepaar Matlehner teilte sich die Nachtwache. Bis Mitternacht saß Frau Matlehner bei dem toten Mädchen. Dann übernahm ihr Mann den Platz. Sie ging in ihr Schlafzimmer und fiel aufs Bett, erschöpft vom Weinen schlief sie schließlich ein.
    Ein Geräusch ließ sie wieder nervös in die Höhe fahren. Sie wußte nicht, wie spät es war und wie lange sie geschlafen hatte. Die Lampe mit ihrer schwachen Birne erhellte das Zimmer nur matt. Sie hörte die Turmuhr der Kirche einmal schlagen.
    Ein neues Geräusch riß sie hoch.
    Sie lauschte. War es ein Knacken auf der anderen Seite der Tür? Atmete da nicht jemand?
    Da war doch jemand!
    Dann hörte sie es genau, es klopfte an die Tür. Sanft und zaghaft.
    Wieder Stille. Dann klopfte es ein zweites Mal. Sie hielt den Atem an und spürte, wie an ihrem Körper eisige Kälte hochkroch. Plötzlich fiel auf der anderen Seite etwas gegen die Tür. Ein kleiner Körper.
    Mit einem Schrei sprang sie aus dem Bett. Das Grauen schüttelte sie. Dann riß sie die Tür auf. Das tote Kind fiel ihr entgegen. Es hatte vor der Tür gekauert.
    Im gegenüberliegenden Zimmer sah sie ihren Mann liegen, zurückgelehnt, den Mund offen, in tiefem Schlaf.
    Sie schüttelte ihn: » Wie kannst du sie mir vor die Tür legen? Bist du wahnsinnig geworden? «
    Der Mann fuhr hoch, sah schlaftrunken auf seine Frau, auf das leere Kinderbett und auf die Decke, die am Boden lag.
    Schließlich galt sein Blick dem toten Kind an der Türschwelle. Er stotterte: » Entschuldige, ich bin eingeschlafen. «
    » Und das Kind? Hörst du, das Kind! Wie kommt es vor die Tür? «
    » Ich weiß es nicht. Es lag in seinem Bett, als ich einschlief. Mein Gott, warum hast du es dir denn geholt? «
    » Nein « , schrie die Frau, » ich habe es nicht geholt! Es hat an meine Tür geklopft. Verstehst du, es hat an meine Tür geklopft! «
     
    ●
     
    Kurz nach vier Uhr morgens wurde Wachtmeister Tomaschek in der Polizeiwache von seinem Kollegen Kober abgelöst.
    Der Mann schnupperte genießerisch, als er das Wachlokal betrat, und Tomaschek nickte ihm zu:
    » Wenn du frischen Kaffee haben willst, auf der Heizplatte steht er. «
    » Was Neues? «
    » Nur den alten Saufbold, den Polz, haben sie wieder eingeliefert. Voll bis an den Rand. Wir haben ihn zum Ausschlafen in die Zelle gesteckt. «
    » Hat er wieder sein besoffenes Elend gehabt? «
    » Und ob! Sein Leben sei verpfuscht, er bringe sich um, hat er geflennt. Vielleicht trinkt er auch
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