0889 - Der Robot-Vampir
sein, doch auch die innere Kälte lauerte hier. Ich spürte sie ebenso wie Glenda.
Es war nicht das erste Mal, daß ich in einem Schauhaus stand und das Tuch von einer Leiche abhob.
Ich zögerte trotzdem noch, schaute mich sogar um, was Glenda mit einem verwunderten Blick bemerkte. »Ist etwas geschehen?«
»Nein.«
»Du reagierst so seltsam.«
Ich hob die Schultern. »Es mag daran liegen, daß ich wohl mit einigen Schwierigkeiten zu rechnen habe. Es sagt mir mein Gefühl.« Ich wußte, daß die Worte zu keiner guten Erklärung gehörten und bat Glenda darum, sie zu vergessen.
Sie lächelte nur schief und schaute zu, wie ich nach dem Laken faßte. Ich nahm eine Falte zwischen zwei Finger und hob es dann behutsam in die Höhe.
Aus den Augenwinkeln behielt ich Glenda im Blick. Sie hatte den Kopf etwas zur Seite gedreht, als könnte sie sich nicht entscheiden, wohin sie schauen wollte.
Wachsbleich, der Mund stand leicht offen. Die Augen waren nicht geschlossen, und es sah so aus, als wäre die Tote dabei, die glatte Decke anzustarren. Das Blut sah ich auf ihrem Gesicht, und ich entdeckte auch die Wunde am Hals.
Dort hatte der Killer zugeschlagen.
Brutal, rücksichtslos.
Ich hatte ihn gesehen. Seinen glatten Kopf, die Ohren, die hochstanden, den Glanz in den Augen, den breiten Mund, das künstliche Etwas, aber was?
Ein Vampir? Ein Roboter? Ferngelenkt, vom Bösen beseelt, blutgierig?
Es kam einiges zusammen, es konnte alles stimmen oder auch nichts. Wieder fiel mir ein, wie dieser Vampir plötzlich klein geworden und dann verschwunden war. Er war einfach weggetaucht, zu einem Etwas geworden, zu einem Neutrum, und dann war er hineingeflogen in eine andere Welt.
Vielleicht in eine andere Dimension, denn ich glaubte nicht, daß er verschwunden war.
Glenda wollte wohl so rasch wie möglich weg, denn sie fragte: »Warum zögerst du, John?«
»Sorry, aber mir gingen gerade gewisse Dinge durch den Kopf, mit denen ich erst noch fertig werden muß.«
»Okay.«
Ich wollte den Kreuz-Test machen. Wie so oft schon. Und meistens hatte ich irgendeinen Erfolg errungen. Es lag auf meiner Hand, war sehr schwer, es wurde noch von meinen Fingern umschlossen, und ich sah selbst, daß meine Faust zitterte.
Den Grund konnte ich mir nicht vorstellen. Es war wie bei einem Menschen, der vor etwas Neuem stand. Vielleicht fürchtete ich mich auch davor…
Noch ein letzter Blick auf das Gesicht, den Mund. Er war nicht ganz geschlossen. Ich legte den Kopf etwas schief und schaute gegen den Oberkiefer, um zu sehen, ob sich dort zwei Vampirzähne abzeichneten. Zu entdecken war nichts, aber rechnen mußte man mit allem.
Einen Moment später lag das Kreuz frei.
Und noch in derselben Sekunde begann es.
Ein unheimliches Heulen und Pfeifen war zu hören. Irgendwo in der Ferne brauste etwas auf, dann heran. Für einen Moment fühlte ich mich von der Leiche weggerissen. Ich sah sie perspektivisch verzerrt und sehr weit von mir entfernt. Zudem schräg auf der Bahre liegend, um mich herum war alles anders geworden.
Das Pfeifen steigerte sich zum Sturm, der wiederum zu einem Orkan. Ich hielt das Kreuz fest, das anfing zu zittern. Aber ich konzentrierte mich auch auf die vor mir liegende Leiche. Sie war noch da, aber zugleich auch weg, denn sie befand sich auf dem Weg ins Nirgendwo. Sie raste durch und in eine andere Welt. Sie war plötzlich klein geworden, sie war nicht mehr zu fassen, und sie entschwand meinen Blicken. Ein Heulen und Pfeifen umjammerte mich, und die verletzte Person wurde zu einem kleinen Etwas, zu einer Figur, die in ein Comic-Heft gehört hätte, aber nicht mehr in die Wirklichkeit.
Ob es Sekunden später war, konnte ich nicht sagen. Jedenfalls hörte das Heulen auf. Eine eisige Stille umgab uns, als würde sie von den Knochenhänden des Todes ausströmen.
Mein erster Blick galt Glenda Perkins. Sie stand da und hatte die Hände gegen ihre Wangen gepreßt.
Das Gesicht sah schmal aus, in den Augen flackerte die nackte Panik.
Ich ging zu ihr. Unter meiner Berührung schrak sie zusammen. »John, was war das?« hauchte sie.
»Es ist vorbei«, flüsterte ich. »Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Die Dinge sind gelaufen.«
»Sie ist weg, nicht?«
»Ja.«
»Aber… aber… dafür muß es doch eine Erklärung geben. Sie kann nicht einfach verschwinden…«
»Es gibt sie sicherlich auch, nur«, ich hob die Schultern, »bin ich im Moment sehr hilflos. Ich könnte dir auch nicht sagen, wohin sie verschwunden ist. Ich
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