Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0884 - Mondwölfe

0884 - Mondwölfe

Titel: 0884 - Mondwölfe
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
mittlerweile dunkler geworden. Dunst und Dämmerung hatten sich vermischt und einen Film aus grauer Asche hinterlassen, in dem die Lichter wie ferne Sterne schimmerten, an denen Wolkenschleier langsam entlangzogen.
    Ich kam durch, aber es war niemand da, der abhob. Mehrmals hörte ich das Tuten. Mit jedem Geräusch vertieften sich die Falten auf meiner Stirn. Mit der freien Hand strich ich über mein Haar, hob die Schultern und wollte enttäuscht einhängen, als sich an der anderen Seite plötzlich etwas tat.
    Es wurde abgehoben.
    Eine schwach klingende Frauenstimme erreichte mein Ohr, die nur ein gepreßtes »Ja…« hervorbrachte.
    Dieses eine Wort ließ den Adrenalinspiegel in mir anwachsen, und ich sagte sofort: »Bitte, Madam, legen Sie nicht auf…«
    »Nein, nein, aber… wer sind Sie?«
    »Mein Name ist John Sinclair. Wir kennen uns nicht, doch ich möchte gern mit Ihnen sprechen.«
    »Warum?« Wieder nur ein Hauch. »Sie sind Mrs. Ralston?«
    »Ja.«
    »Ich bin Yard-Beamter, und es geht um Ihren Mann.«
    »Gott!« Es klang wie ein Schrei, dann hörte ich ein Poltern, aber keine Stimme mehr.
    Suko hatte längst mitbekommen, was los war, und er hatte seinen Kopf in die Zelle gestreckt, das Ohr nicht weit von meinen Lippen und dem Hörer entfernt.
    »Mrs. Ralston!« rief ich. »Sind Sie noch dran?«
    »Jetzt wieder.« Sie holte tief Luft. »Entschuldigen Sie, aber mir ist der Hörer aus der Hand gefallen.«
    »Keine Ursache. Sie wissen vielleicht, daß es um Ihren Mann geht, und wir wollten Sie besuchen.«
    Ihr schrilles Lachen drang plötzlich auf, daß ich darauf nicht vorbereitet war. Es biß in mein Trommelfell hinein. Ich war gezwungen, den Hörer vom Ohr wegzuhalten. Die Frau beruhigte sich wieder, aber ihre Stimme klang nicht normal. Bei jeder Silbe zitterte der Lautsprecher mit. »Sie wollen mit mir über meinen Mann reden, nicht?«
    »So ist es!«
    Wieder mußte sie lachen. Diesmal allerdings leiser. Dann gab sie Antwort. Ihre Stimme klang gepreßt. »Sie können mit meinem Mann nicht mehr reden, Mr. Sinclair.«
    »Aha. Und weshalb nicht?«
    »Weil es ihn nicht mehr gibt.«
    »Hat er sie verlassen?« Ich stellte die Frage deshalb, weil sich die anderen Frauen ähnlich geäußert hatten.
    »Kann man so sagen, Mr. Sinclair. Nur hat er mich nicht als Mensch verlassen, sondern als Bestie!«
    Die Antwort hatte gesessen. So schlimm sie auch für eine Frau wie Mrs. Ralston sein mochte, Suko und ich wußten, daß wir diesmal an der richtigen Stelle waren…
    ***
    Die Gegend war einsam und menschenleer. Der nächste Ort lag meilenweit entfernt, war auch nur eine kleine Ansammlung von Häusern und durch eine schmale Landstraße mit der Außenwelt verbunden, denn die Straße führte über Hügel hinweg oder stach in Täler hinein, bevor sie in die Nähe größerer Ansiedlungen geriet.
    Die Natur hatte hier wuchern und wachsen können. Menschenhände griffen in dieses Wachstum nicht ein, und so war so etwas wie ein kleiner Nationalpark entstanden, dessen Durchquerung ohne offizielle Erlaubnis nicht möglich war. Man wollte das Stück Natur so belassen, wie es einmal gewesen war.
    Kein durch Blitzschlag oder Sturm gefällter Baum wurde abgeholt und verarbeitet. Alles blieb in seiner ursprünglichen Form und wurde den Kräften der Natur überlassen, was wiederum die Biologen, Zoologen oder Geologen erfreute, die sich mit der Natur beschäftigten.
    Es war kaum zu glauben, daß sich dieser Park in einem Industrieland halten konnte, aber man hatte es geschafft. Der Park lag in der Provinz Dorset, westlich von Southampton.
    An diesem Tag war der Nebel allmächtig. Er hatte sich nicht nur auf London und seine Umgebung konzentriert, dicht wie eine Decke lag er über Großteilen der Insel.
    Novembernebel, wie die Menschen ihn kannten, doch in diesem Jahr war alles anders, denn der Nebel hatte etwas mitgebracht, das phantomhaft in seinem Innern leuchtete. Wie ein großer, unheimlicher Mond mit einem Zentrum, in dem sich ein Schatten abzeichnete.
    Der Umriß eines Tieres.
    Er war mehreren Personen aufgefallen, und diese Zeugen hatten übereinstimmend davon gesprochen, ein großes, unheimliches Tier inmitten des kalten Mondes gesehen zu haben. Ein Tier wie aus der Urwelt entsprungen. Ähnlichkeit sollte er mit einem auf den Hinterbeinen stehenden Bär oder Wolf haben, eine Projektion aus dem Reich der Geister, das für viele Personen durchaus existent war.
    Dieser ungewöhnliche Mond hatte sich schon einige Male gezeigt. Er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher