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0869 - Die Tage des Ungeheuers

Titel: 0869 - Die Tage des Ungeheuers
Autoren: Unbekannt
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Interesse erregt. Julian Tifflor hatte sich gezwungen gesehen, die äußere Erscheinung seines vertrautesten Beraters zu verändern, damit es nicht zum Eklat kam.
    „Du siehst ernst aus", bemerkte Henry, der die Angewohnheit hatte, den Ersten Terraner beim Vornamen und „du" zu nennen, solange niemand anders zuhörte.
    „Mir ist ernst zumute", bestätigte Tifflor. „Der Oberste Terranische Rat hat uns verlassen."
    „Du meinst, er ist durchgebrannt?"
    „Ich weiß nicht, wie du zu dieser Formulierung kommst", reagierte Tifflor zurückhaltend.
    „Ganz einfach. Ich habe dir oft genug zugehört, während du dir über Dantons eigenartige Verfassung Gedanken machtest. Er hing an dieser Dunja Varenczy und hat es nie ganz verwunden, daß sie mit der BASIS einfach davonzog. Du sagtest selbst, es sei zu befürchten, daß er eines Tages seinen Kram zusammenpacke und hinter dem Weibsbild herlaufe -und das sind deine eigenen Worte!"
    Julian Tifflor winkte ab.
    „Du hast recht wie immer", sagte er. „Ich sollte allmählich lernen, in deiner Gegenwart keine Selbstgespräche zu führen. Wie dem auch sei: Roi Danton ist fort. Er hat die Erde an Bord der BAIKO heute morgen kurz nach drei Uhr allgemeiner Zeit verlassen. Wir sind der Öffentlichkeit eine Erklärung schuldig, warum der Oberste Terranische Rat den Verpflichtungen, die die Wähler ihm auferlegt haben, nicht nachkommen kann."
    Henry der Zweite nickte, und ein ausgesprochen dümmliches Lächeln spielte auf seinem breiten Gesicht.
    „Ich habe schon den Text der Mitteilung!" sagte er. „Oberster Terrani-scher Rat greift eigenhändig in das Dilemma der BASIS ein!"
    „Du übersiehst eines", warnte Tifflor. „Das Dilemma der BASIS, wie' du es nennst, wird eines Tages vorüber sein.
    Wenigstens hoffen wir das. Die BASIS wird wieder Fahrt aufnehmen und Tschuschik ansteuern."
    „Ja-und?"
    „Danton wird nicht zurückkehren. Er bleibt an Bord der BASIS, weil Dunja dort ist!"
    Henry gab ein kurzes, meckerndes Lachen von sich.
    „Oh - das! Das stört uns nicht. Heute müssen wir den Leuten erklären, warum Roi Danton zur BASIS geflogen ist.
    Und in ein paar Tagen müssen wir uns eine neue Erklärung dafür einfallen lassen, warum er an Bord der BASIS bleibt!"
    Julian Tifflor musterte den Roboter mit ernstem Blick.
    „Henry", sagte er schließlich. „Du machst mir angst. Wer dir zuhört, könnte auf den Gedanken kommen, daß Politiker weiter nichts zu tun haben, als sich Lügen auszudenken!"
     
    3.
     
    Mitten in der Nacht erwachte De-meter, die sich Dunja Varenczy nannte, aus unruhigem Schlaf.
    Sie starrte in die Finsternis und suchte sich der Träume zu erinnern, die sie geträumt hatte. Sie wußte, daß da Träume gewesen waren -mehrere aufregende Träume. Aber von dem, was sie geträumt hatte, war nichts in ihrem Gedächtnis geblieben.
    Bis auf den Gedanken an das Auge.
    Sie fragte sich: Was ist das Auge?
    Aber die Antwort entfloh ihr. Im Traum wußte sie, was das Auge war. Aber wenn sie erwachte, war die Erinnerung geschwunden.
    Ihre Gedanken wanderten zu einem Mann auf der Erde. Roi Danton. Sie sehnte sich nach ihm. Aber was für eine Sehnsucht war das? Vor kurzem noch hatte sie nicht entscheiden können, nach wem sie sich mehr sehnte: nach Roi Danton oder Julian Tifflor. Schließlich aber war die Entscheidung zugunsten Dantons gefallen. Demeter hatte eine bedrük-kende Ahnung, die Entscheidung sei nicht ihre eigene gewesen. Jemand anders hatte für sie entschieden. Was war dann mit der Sehnsucht? War womöglich auch die Sehnsucht nicht in ihrem Herzen entstanden, sondern von einem ändern dort eingepflanzt worden?
    Immer wieder kehrten die unruhigen Regungen ihres Bewußtseins zu dem Begriff des Auges zurück. Sie wußte: wenn sie sich erinnern könnte, was es mit dem Auge auf sich hatte, dann würde auch der Rest der verlorenen Erinnerung wieder zu ihr zurückkehren. Wer sie war, woher sie kam und was es mit dem gläsernen Schrein auf sich hatte, in dem sie tief unter den grünen Hügeln der Insel Kreta gefunden worden war.
    So aber gab es weiter nichts als eine dumpfe Ahnung, die irgendwo im Hintergrund ihres Unterbewußtseins saß, daß sie nicht ihr eigener Herr sei. Daß sie einem Einfluß gehorche, der von weit her kam und dem sie gehorchen mußte, ob sie wollte oder nicht.
    In ihren einsamen Gedanken gab sie dem Einfluß einen Namen. Sie nannte ihn „den Bezwinger".
    In weiter Ferne aber saß der Bezwinger und lauschte den Strömen paramentaler Impulse,
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