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0851 - Wir jagten das bleiche Gesicht

0851 - Wir jagten das bleiche Gesicht

Titel: 0851 - Wir jagten das bleiche Gesicht
Autoren: Jason Dark
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allerdings war alles zur Makulatur geworden, seit dieser verfluchten Veränderung. Als Mensch konnte er sich nicht mehr fühlen, nur noch als Lebewesen. Er mußte sich auf den Existenzkampf einrichten, und er dachte daran, daß ein Mensch essen und trinken mußte. Auch er würde sich bald Nahrungsmittel besorgen müssen. Tagsüber konnte er sich nicht auf die Straße wagen. Da wäre er aufgefallen. Also mußte er in der Nacht auf die Pirsch gehen, bewaffnet, als Einbrecher in die entsprechenden Läden.
    Zum Glück gab es noch einige kleine Geschäfte in der Nähe, wo er sich Lebensmittel besorgen konnte. Bei den großen Supermärkten auf der grünen Wiese wäre es schon schwieriger geworden.
    Kraft grinste. So etwas wie Freude war bei ihm aufgekommen. Er hatte nicht aufgegeben und würde es auch nicht tun. Nein, nicht er.
    Dazu war er einfach nicht geboren.
    Wieder warten.
    Zunächst auf den Anbruch des Abends, dann auf die Nacht, denn die Dunkelheit war sein Schutz.
    In der letzten halben Stunde war es im Haus relativ still geworden, abgesehen von den Stimmen der Kinder. Die aber spielten weiter unten, und so schaffte Kraft es, sich auch auf die unmittelbare Umgebung jenseits der Tür zu konzentrieren.
    Obwohl er inzwischen eine Dose Bier geleert hatte, waren seine Sinne nach wie vor geschärft, und er hörte, daß jemand über die Holztreppe lief.
    Kraft war schlau, er konnte gut hören und hatte ein gutes Erinnerungsvermögen. Ihm fiel sofort auf, daß die Geräusche nicht zu den Hausbewohnern paßten.
    Fremde hatten den Bau betreten.
    Fremde kamen hoch.
    Fremde sprachen mit einem Hausbewohner.
    Egon Kraft packte die Maschinenpistole fester. Ihm gefiel seine Position nicht mehr. Er hatte zu lange gesessen, deshalb waren seine Glieder steif geworden.
    Er mußte sich bewegen, drückte sich erst zur Seite, stemmte die Mündung der Waffe schräg gegen den Boden und benutzte den Lauf als Stütze, um sich in eine kniende Haltung zu bringen.
    So blieb er auch, den Druck auf beide Beine verteilt. Er kniete breit, und Licht brauchte er noch nicht. Er konnte alles gut erkennen.
    Schritte waren zu hören. Ihm fiel auf, daß sie die Treppe hinter sich gelassen hatten, und Kraft hatte auch herausgefunden, daß sich zwei Personen auf seiner Etage bewegten. Das mußten Männer sein, denn Frauen traten anders auf.
    Wollten sie zu ihm?
    Er leckte über seine Lippen und nahm den salzigen Schweißgeschmack auf.
    Warten, lauern, auf der Hut sein…
    Die Geräusche näherten sich seiner Tür. Gingen sie auch vorbei?
    Nein, sie verstummten dicht davor.
    Wieder warten…
    Schweiß bedeckte seine Stirn. Wie kaltes Öl lag er auf der lappigen Haut.
    Kraft hörte sich atmen, und jeder aus seinem Mund dringende Luftstoß glich einem Zischen.
    Dann klopfte es.
    Obwohl Kraft damit gerechnet hatte und eigentlich auch darauf vorbereitet war, zuckte er doch zusammen, und er kam sich in den folgenden Sekunden wie eine Figur vor. Er war erstarrt und nicht in der Lage, eine Antwort zu geben.
    Wie sollte er sich verhalten? Einfach so tun, als wäre er nicht in der Wohnung?
    Bevor er sich zu einer Antwort durchgerungen hatte, klopfte es zum zweiten Mal. Diesmal härter und fordernder, als wüßten seine Besucher, daß er in der Wohnung war. Aber wer waren sie?
    Die Antwort rutschte ihm wie von selbst über die Lippen, wobei er sich noch über den Klang seiner dünnen Stimme ärgerte. »Kommt rein, es ist offen…«
    Nach dieser Antwort drückte er die Maschinenpistole etwas nach rechts, um die Tür direkt im Schußfeld zu haben…
    ***
    Vielleicht war Harry Stahl zu sehr darauf programmiert, einen Erfolg zu erreichen. Er hörte die mißtrauische Antwort zwar, kümmerte sich jedoch nicht darum, und er drückte die Tür nicht behutsam auf, sondern mit einem heftigen Ruck.
    Der erste Blick!
    Harry kannte sich in Wohnungen wie dieser aus. Er wußte, daß sie zumeist aus zwei Räumen bestanden, in denen sich allerdings alles konzentrierte. Wohn-, Wasch- und Schlafraum.
    Das alles ging ihm am Rande durch den Kopf. Wichtig war der Mieter dieser Wohnung.
    Und den sah er nicht.
    Zumindest nicht sofort, denn sein Blick war einfach über ihn hinweggeglitten, dorthin, wo ein Bett stand, der Fernseher und…
    Er schnupperte.
    Der Geruch störte ihn, dann sah er die Bewegung, senkte den Blick nach vorn. Dies alles war innerhalb weniger Sekunden geschehen, in denen er schon hätte tot sein können, aber auch Egon Kraft hatte nicht geschossen, weil er von der
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