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0827 - Der Dämon von Songea

0827 - Der Dämon von Songea

Titel: 0827 - Der Dämon von Songea
Autoren: Andreas Balzer
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Zamorra würde noch sein blaues Wunder erleben.
    ***
    1904
    Das nicht enden wollende Donnern der Trommeln ließ das Universum erzittern.
    Ferdinand von Hardenberg lag schweißüberströmt unter seinem Moskitonetz, während sein Herzschlag mit dem fiebrigen Rhythmus der Schläge zu verschmelzen schien. In seinen Adern spürte er noch das Gift, das ihn an diesem Tag fast getötet hätte. Doch er würde nicht sterben. Nicht an diesem gottverlassenen Ort. Nicht heute.
    Vom Hof hörte Hardenberg das Lachen betrunkener Soldaten, die ihre Langeweile mit Alkohol und schwarzen Huren vertrieben. Doch der Hauptmann beachtete sie gar nicht. Er konzentrierte sich ganz auf die Trommeln, und bald schien es ihm, als würden sie nur für ihn schlagen. Verzweifelt versuchte er, ihre geheimen Botschaften zu entziffern, doch es wollte ihm nicht gelingen. In seinem Geist sah er bunt geschminkte schwarze Krieger, die ekstatisch um ein riesiges Feuer herumtanzten, während sie ihn verhöhnten.
    Und er sah auch Djabila, den alten Zauberer, der ihm mit seinem zahnlosen Mund dreist ins Gesicht lachte. Das kann nicht sein. Du sitzt hier im Fort in einer Zelle. Ich habe dich einsperren lassen. Wer hat dich wieder freigelassen?
    Ein weiteres Zittern durchlief den von Fieberkrämpfen geschüttelten Körper, als sich Hardenberg an die Ereignisse des Vormittags erinnerte. Sie waren auf einer Expedition zum Nyasa-See gewesen und hatten in einem Dorf der Matengo Rast gemacht, als ihn die Schlange erwischt hatte. Es war nur eine lächerlich kleine Bisswunde an der rechten Hand, doch das Entsetzen im Blick seines Adjutanten verriet ihm alles. Er würde viele tausend Kilometer von seiner Heimat in diesem elenden kleinen Dorf verrecken.
    Mit Schweißausbrüchen fing es an, dann sackten ihm die Beine weg. Ferdinand von Hardenberg spürte, wie die Kälte des Todes durch seinen Körper kroch, während er seltsam teilnahmslos wahmahm, wie der Zauberer des Dorfes eine stinkende Paste auf die Bisswunde strich und dazu unablässig Beschwörungen murmelte. Sein Adjutant zog den Revolver, um den alten Mann zu vertreiben, doch mit letzter Kraft gebot Hardenberg ihm Einhalt. Er spürte, wie eine geheimnisvolle, nie geahnte Kraft seine Adern durchströmte und das Leben in seinen Körper zurückkehrte.
    Sie fesselten den alten Mann und nahmen ihn mit, als sie sich auf den beschwerlichen Rückweg ins Fort machen. »Djabila will nur helfen«, hatte der Zauberer gefleht, als sie ihn mitnahmen. Und du wirst helfen, dachte Hardenberg, als er sich abrupt in seinem schweißgetränkten Bett aufrichtete.
    Plötzlich sah er alles ganz klar. Die jungen Männer, die es in die Kolonien zog, träumten von Gold, Juwelen und exotischen Frauen. Doch der wahre Reichtum Afrikas hatte mit alldem nichts zu tun. Dieser Kontinent war von einer seltsamen Kraft erfüllt, die jedes Blatt und jeden Stein vibrieren ließ. Einer Kraft, die Ferdinand von Hardenberg bei seiner Ankunft zutiefst erschreckt hatte und die ihn doch immer mehr in ihren Bann zog. Die Ekstase des Beischlafs war ein Witz gegen die Erregung, die er verspürte, wenn er den hypnotischen Klang dieser Trommeln hörte. Männer wie Djabila kannten die Geheimnisse dieser Kraft, wussten, wie sie zu bändigen war.
    Und sie werden es mir zeigen!, dachte Hardenberg entschlossen.
    Er schwang sich aus dem Bett und klingelte nach dem Diener. Es interessierte ihn nicht, dass es schon weit nach Mitternacht war. Er musste den Zauberer verhören.
    Und das war erst der Anfang…
    ***
    Heute
    Der Friedhof von Songea bestand aus zwei durch eine Steinmauer getrennte Bereichen. Der größere war jüngeren Datums und ein wildes Sammelsurium zum größten Teil sehr einfacher Gräber, zwischen denen sich wie Inseln bizarre Mausoleen befanden, mit denen sich noch im Tod die Reichen der Stadt von den Armen abgrenzten. Hinter der Mauer lag der alte Kolonialfriedhof. Wie Soldaten standen hier Grabsteine in Reih und Glied, die selbst im Zustand des Verfalls noch etwas von der stolzen Haltung ihrer Besitzer verrieten. Sie hatte ihnen nichts genutzt. Sie waren nach Afrika gekommen, um reich und glücklich zu werden. Gefunden hatten sie den Tod.
    Zamorra und Nicole gingen systematisch die Reihen ab, doch nirgendwo fanden sie einen Hinweis, der ihnen weitergeholfen hätte.
    »Mein Gott, wie soll man hier nur etwas finden?«, stöhnte Nicole. Entnervt setzte sie sich auf einen schiefen Grabstein und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie verjagte zwei
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