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082 - Die weisse Frau

082 - Die weisse Frau

Titel: 082 - Die weisse Frau
Autoren: Frank Sky
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provozierend: „Könnte das nicht leicht mißverstanden werden?“
    Dr. Schwab ließ sich jedoch nicht herausfordern. Er lächelte nur, nickte dem Mädchen zu, nahm wieder Anne Blooms Arm und ging weiter.
     
     

     
    Lydia von Hellwangen blickte ihnen nach, bis sie im Nebel verschwanden. Sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie in Gegenwart der Englischlehrerin hatte erkennen lassen, was sie empfand. Sie wollte zum Schloß zurückkehren, wandte sich dann aber doch dem Fluß zu. Versonnen näherte sie sich den hohen Bäumen am Ufer. Sie dachte über sich und Schwab nach und beschloß, irgend etwas zu tun, um ihn für sich zu gewinnen. Leider mochte sie Anne Bloom.
    Ein seltsames Geräusch schreckte sie aus ihren Gedanken auf. Sie blickte sich suchend um. Dichter Nebel umgab sie. Die Sicht reichte keine zehn Meter weit. Undeutlich erkannte sie die dunklen Umrisse der Bäume und die eines Busches. Wasser tropfte von den Blättern; und sie hörte das Murmeln des Flusses.
    „Hallo?“ rief sie zaghaft.
    Von einem der Bäume her kam ein eigenartiges Glucksen. Lydia wich zurück. Ihr Herz schlug rasend schnell. Eine unförmige Gestalt näherte sich ihr. Im ersten Moment konnte sie nicht erkennen, was es war. Sie wollte schreien. Das Wesen eilte schwankend und schaukelnd auf sie zu. Die Arme baumelten bis aufs nasse Gras herunter.
    Lydia stand wie erstarrt da. Ihre Beine gehorchten ihr nicht mehr.
    Dann hob der Mann den Kopf, und sie blickte in das häßliche Gesicht des schwachsinnigen Keschmer. Er grinste sie an und eilte an ihr vorbei.
    „Ach, Sie sind es, Keschmer!“ sagte sie tonlos.
    Er beachtete sie nicht weiter, sondern verschwand humpelnd und schwankend im Nebel.
    Lydia hatte nur noch einen Wunsch: Sie wollte so schnell wie möglich ins Schloß zurück. Doch sie hatte die Orientierung verloren. Sie wußte nicht genau, in welche Richtung sie gehen mußte. Eben noch hatte sie den Fluß ganz deutlich murmeln gehört, aber plötzlich hörte sie nicht einmal mehr die Wassertropfen von den Blättern fallen.
    Lydia fror. Sie rieb sich ihre bloßen Arme und ärgerte sich, daß sie nur dieses leichte Minikleid angezogen hatte. Der Tag hatte mit so schönem Wetter begonnen; es war viel zu kalt für die Jahreszeit geworden. Unschlüssig näherte sie sich einem der Bäume. Dort irgendwo mußte doch der Fluß sein? Es wurde immer kälter. Ihre Arme und Beine überzogen sich mit einer Gänsehaut. Die plötzliche Kälte und die unbegreifliche Stille waren ihr ein Rätsel. Sie hatte Angst.
    „Keschmer!“ rief sie mit gedämpfter Stimme. Und dann lauter: „Keschmer!“
    Der Ruf verhallte; ihr war, als würde er vom Nebel und der Dunkelheit verschluckt, als hätte sie in Watte hineingesprochen. Jetzt bereute sie, daß sie sich Fräulein Bloom und Dr. Schwab nicht angeschlossen hatte.
    „Herr Keschmer, wo sind Sie denn?“
    Sie sah etwas Weißes vor sich. Das mußte ein blühender Busch sein. Allerdings erinnerte sie sich nicht, einen blühenden Busch am Ufer des Flusses gesehen zu haben. Wie hypnotisiert ging sie weiter. Und dann schälte sich aus dem Nebel die Gestalt einer in weiße Tücher gehüllten Frau. Aus dunklen Augenhöhlen blickte die Fremde sie an.
    Lydia streckte eine Hand aus, obwohl sie es gar nicht wollte. Ihre Fingerspitzen schienen in Eis zu stoßen. Und plötzlich verschwand die weiße Frau von einer Sekunde zur anderen wieder. Mit weit aufgerissenen Augen starrte das Mädchen auf die Stelle, an der sie die Erscheinung soeben noch gesehen hatte. In diesem Moment senkte sich eine eisige Hand auf ihre nur spärlich bedeckte Schulter. Mit einem Aufschrei fuhr das Mädchen herum. Die weiße, in ihren Konturen nicht genau erkennbare Gestalt flüsterte ihr etwas zu. Lydia wollte sich losreißen, aber die Eishand hielt sie fest.
    „Gib mir mein Kind!“ wimmerte die weiße Frau mit hohler Stimme.
    „Kind?“ echote Lydia, ohne zu begreifen, was das alles sollte.
    Die weiße Frau lachte schrill. Das Gelächter wurde jedoch nicht vom Nebel verschluckt, so wie Lydias Ruf vorher, sondern hallte hundertfach wider. Aus allen Richtungen schien dieses entsetzliche Lachen zu kommen.
    Das Mädchen warf sich verzweifelt und voller Panik zurück. Stoff zerriß knirschend. Lydia kam frei, glitt jedoch auf dem feuchten Boden aus und stürzte in den Fluß. Sie schrie gellend, versuchte am Ufer Halt zu finden und schlug um sich. Ihre Arme peitschten das Wasser.
     

     

„Was war das?“ fragte Dr. Schwab.
    „Ein
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