Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
so gewesen. Sie seufzte. »Das versuche ich ...«
    Simon legte ihr den Arm um die Schultern und gab ihr einen herzhaften Kuß auf die Wange. »Ganz wunderbar«, sagte er.
    »Wie viele Aufnahmen hast du gemacht?«
    »Oh, Dutzende. Hunderte. Na ja, vielleicht nicht gerade Hunderte, aber eine ganze Menge. Ich habe gerade erst angefangen, diese übergroßen Abzüge zu machen. Ich hoffe, sie sind gut genug, um ausgestellt zu werden ... in einer Galerie, meine ich. Wie Kunst. Sie sind ja schließlich Kunst, und ...« Sie verstummte, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Als sie sich der Tür zum Labor zuwandte, sah sie ihren Vater - langjähriges Mitglied des einen oder anderen St.-James-Haushalts -, der in die obere Etage des Hauses in der Cheyne Row hinaufgestiegen war.
    »Mr. St. James«, sagte Joseph Cotter, an seiner eisernen Gewohnheit festhaltend, Simon niemals beim Vornamen zu nennen. Er hatte sich bis heute nicht richtig daran gewöhnen können, daß seine Tochter seinen jungen Arbeitgeber geheiratet hatte. »Sie haben Besuch. Ich habe die Herrschaften ins Arbeitszimmer geführt.«
    »Besuch?« fragte Deborah. »Ich hab' gar nichts gehört. Hat es denn geläutet, Dad?«
    »Dieser Besuch braucht nicht zu läuten«, antwortete Cotter.
    Er trat ins Labor und betrachtete stirnrunzelnd Deborahs Fotografien. »Scheußlicher Kerl«, bemerkte er über den Skinhead. Und zu Deborahs Mann sagte er: »Es ist David. Mit irgendeinem Bekannten mit seidenen Hosenträgern und schicken Schuhen.«
    »David?« fragte Deborah. »David St. James? Hier? In London?«
    »Hier im Haus«, erwiderte Cotter. »Und sieht wieder mal aus wie der letzte Penner. Wo dieser Bursche sich seine Garderobe besorgt, ist mir ein Rätsel. Wahrscheinlich bei der Heilsarmee. Soll ich Kaffee bringen? Die beiden sehen aus, als könnten sie eine Tasse gebrauchen.«
    Deborah lief schon die Treppe hinunter. »David? David?« rief sie, während oben ihr Mann sagte: »Kaffee, ja. Und wie ich meinen Bruder kenne, wird auch der Rest vom Schokoladenkuchen willkommen sein.« Er wandte sich an Helen. »Machen wir Schluß für heute. Du willst jetzt sicher gehen.«
    »Laß mich erst noch David begrüßen.« Helen schaltete das Licht im Labor aus und folgte St. James zur Treppe, die dieser wegen seines geschienten linken Beines sehr langsam und vorsichtig hinuntersteigen mußte. Cotter kam als letzter.
    Die Tür zum Arbeitszimmer war offen. Drinnen sagte Deborah gerade: »Was tust du denn hier, David? Warum hast du nicht angerufen? Sylvie oder den Kindern fehlt doch nichts, oder?«
    David gab seiner Schwägerin einen leichten Kuß auf die Wange. »Nein, es geht ihnen gut, Deb. Alles bestens. Ich bin zu einer EG-Handelskonferenz hier. Dennis hat mich hier aufgestöbert. - Ah, da ist ja Simon. - Dennis Luxford, mein Bruder Simon. Meine Schwägerin. Und Helen Clyde. - Helen, wie schön! Wir haben uns ja seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.«
    »Weihnachten das letztemal«, erwiderte Helen. »Am ersten Feiertag im Haus deiner Eltern. Aber da war so ein Getümmel, daß ich dir verzeihe, daß du es vergessen hast.«
    »Ich habe wahrscheinlich den ganzen Nachmittag nur am Büffet gestanden.« David klatschte sich mit beiden Händen auf seinen runden Bauch, der so ziemlich das einzige Merkmal war, das ihn von seinem jüngeren Bruder unterschied. Er und Simon glichen sich, wie alle St.-James-Geschwister, beinahe wie ein Ei dem anderen. Sie hatten das gleiche lockige dunkle Haar, die gleiche Größe, die gleichen scharfkantigen Gesichter, die gleiche Augenfarbe, die immer zwischen Grau und Blau zu schwanken schien. Gekleidet war er, wie Cotter es beschrieben hatte: ausgefallen. Von den Birkenstocksandalen und den Rautenmustersocken bis hinauf zu Tweedjackett und Polohemd war David der Eklektizismus in Person und ein einziges modisches Desaster. Aber im Geschäft war er ein Genie und hatte den Umsatz des Familienunternehmens um das Vierfache gesteigert, seit sein Vater sich zur Ruhe gesetzt hatte.
    »Ich brauche deine Hilfe.« David setzte sich in einen der beiden Klubsessel am Kamin und bedeutete den anderen mit der Selbstsicherheit eines Mannes, der es gewohnt ist, Heerscharen von Angestellten zu befehlen, sich ebenfalls zu setzen.
    »Oder genauer gesagt, Dennis braucht deine Hilfe. Deshalb sind wir hergekommen.«
    »Hilfe inwiefern?« St. James betrachtete den Mann, der mit seinem Bruder gekommen war, er stand etwas abseits im Halbschatten in der Nähe der Wand, an
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher