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0702 - Das Stummhaus

Titel: 0702 - Das Stummhaus
Autoren: Unbekannt
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Visiphon. Ein neuer Transport wurde angemeldet. Er kam aus Terence, aus dem Landesinnern.
    Der Verwalter war froh, von seinen Problemen abgelenkt zu werden. Hier handelte es sich um eine reine Routineangelegenheit.
    Die einlaufenden Akten ließ er vom Computer ordnen und las sie nicht erst durch.
    Dadurch versäumte er die Antwort auf einige seiner Fragen ...
     
    *
     
    In dieser Nacht schlief Vester schlecht. Es war die Ungewißheit, die ihn quälte. Wenn er nur gewußt hätte, ob sein Bericht von Hart empfangen worden wäre!
    Wenn ja, dann konnte er seine Aufgabe hier als beendet ansehen und einen Fluchtversuch wagen. Wenn er dabei getötet wurde, war außer seinem Leben nichts verloren. Sein Wissen würde der Organisation weiterhelfen.
    Sonst aber mußte er versuchen, lebend hier herauszukommen, um der OGN sein Wissen mitzuteilen.
    Was also sollte er tun - außer Abwarten?
    Am anderen Tag flüsterte ihm ein alter Mann zu: „Es kommen wieder Neue. Wir haben noch drei Betten frei, nachdem Verdas tot ist. Es ist immer schön, Neuigkeiten zu erfahren."
    Die Neueingelieferten waren die einzige Nachrichtenquellen für die Alten. Von ihnen erfuhren sie, was draußen in der Welt vor sich ging.
    Vester interessierten die Neuen nur wenig. Sie lieferten nur Stoff für neues Geschwätz, das war alles.
    Aber er sollte sich gewaltig irren.
    Zwei Männer fragten nach einem freien Bett und bezogen Quartier, nachdem ihnen jemand erklärte, was es mit dem Transmitterkasten auf sich hatte. Von der Außenwelt konnten sie nicht viel berichten, so daß das Interesse an ihnen bald schwand.
    Von nun an waren sie sich selbst überlassen.
    Einer der Neuen hatte das freie Bett neben Vester bekommen.
    Er sah verwahrlost und halb verwildert aus. Als Vester ihn fragte, erklärte er, seit sechs Monaten in den Bergen gehaust zu haben. Nun war er doch erwischt worden.
    „Sie haben eine große Suchaktion durchgeführt und mehr als ein Dutzend gefunden", berichtete er bereitwillig, als er angezogen auf seinem Bett lag und versuchte, sich in der ungewohnten Umgebung zurechtzufinden. „Eigentlich bin ich ganz froh, daß nun alles vorbei ist. Wie lange bist du schon hier?"
    „Erst eine gute Woche", sagte Vester. „Wenn du mehr von hier wissen willst, mußt du die anderen fragen."
    „Werden wir umgebracht?"
    „Unsinn! Ihr werdet morgen sogar ärztlich untersucht. Es ist alles halb so schlimm." Vester untertrieb bewußt, denn er konnte sich die Gefühle des anderen vorstellen, und er war schließlich kein Aphiliker. „Nur die Sonne wirst du nicht mehr sehen."
    „Sie heißt auch nicht Sol", knurrte der Alte und schloß die Augen.
    Damit war das Gespräch vorerst beendet.
    Der Tag verging wie jeder andere. Vester war mit seinen Fluchtplänen beschäftigt und zu dem Entschluß gelangt, daß er sich zuerst einmal umsehen mußte, ehe er etwas unternahm.
    Er kannte eigentlich nur den Wohnraum und den Korridor mit den Seitengängen und Türen. In diesem Komplex konnte man sich frei bewegen, und es gab auch keine Wachen. Die Ausgangstür war verschlossen und sehr stabil. Ohne Hilfsmittel würde er sie kaum öffnen können.
    Nach Empfang der Ration verließ er den Wohnraum und schlenderte den Korridor entlang. Er begegnete nur zwei alten Männern und drei alten Frauen, die sich an einer Ecke unterhielten. Sie warfen ihm einen flüchtigen Blick zu und kümmerten sich nicht weiter um ihn.
    Einmal öffnete er eine der zahlreichen Türen und sah in den Raum dahinter, der sich von seinem eigenen nicht unterschied.
    Die Männer lagen in den Betten oder saßen am Tisch, schweigsam und dumpf vor sich hinbrütend.
    Als er das Ende des Korridors erreichte, stand er vor einer massiv wirkenden Betonmauer. Hinter ihr lag die Freiheit, vielleicht nur einen halben Meter entfernt - aber unerreichbar.
    Er wandte sich wieder um und ging zurück. Nun lagen die Wohnräume der Frauen auf der rechten Seite, die der Männer links. Das grelle Deckenlicht verscheuchte auch die geringste Spur behaglicher Geborgenheit - hätte es sie überhaupt gegeben.
    Das Stummhaus war ein Gefängnis für Lebenslängliche, nicht mehr und nicht weniger.
    Aus einem der rechten Gänge kam eine alte Frau, stutzte, als sie ihn sah, und ging auf dann auf ihn zu. Sie streckte ihm die Hand entgegen, eine mehr als ungewöhnliche Geste in dieser kalten Welt.
    „Kervin, endlich finde ich dich! Hast du ein Bett bekommen?"
    Vester nahm die Hand und versuchte, den Schock zu verbergen, der ihn fast zu
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