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0651 - Zeitfeuer

0651 - Zeitfeuer

Titel: 0651 - Zeitfeuer
Autoren: Werner Kurt Giesa
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dürren Körper bedeckte, war prunkvoller und teurer als alles, was Zamorra jemals an Cristofero gesehen hatte. Eigentlich erkannte er den Mann nur an seinen Augen, an seinem Blick, und eben daran, daß er geistig an ihn gebunden war, sein unsichtbarer Begleiter.
    Cristofero lag mehr in einem Sessel, als er saß. Neben ihm lehnte ein goldverzierter Gehstock. Eine Hand, deren Gichtfinger dünn wie Spinnenbeine waren, tasteten nach dem Knauf. Zamorra hatte den Eindruck, als sei Cristofero beinahe blind.
    Dann begriff er.
    1725!
    Der Spanier war hundert Jahre alt!
    Für Menschen seiner Zeit beinahe unvorstellbar. Da war seine augenscheinliche Gebrechlichkeit kein Wunder. Augenbrauen und die wenigen Haare auf seinem Kopf waren schneeweiß.
    Zamorra sah sich in dem Zimmer um. Er wußte nicht, wo das Haus stand, wo sie sich befanden. Aber es war ebenso erlesen eingerichtet, wie Don Cristofero teuer gekleidet war. Wenn ihm dieses Haus tatsächlich gehörte, dann mußte er zu Reichtum gekommen sein. Zu einer gewaltigen Menge Geld und Gold.
    Wie mochte er das fertiggebracht haben?
    Als Ludwig XIV. ihn aus Frankreich fortschickte, hatte Cristofero praktisch alles verloren, was er besaß; seinen Einfluß bei Hofe ebenso wie Château Montagne, das ihm vorher als französischer Besitz gehört hatte. Was sein Vermögen in Spanien anging, hatte er nie etwas verraten; Zamorra nahm an, daß dort auch nicht sehr viel zu holen war, obgleich er irgendwie zur Familie Philips IV. gehörte, dessen Tochter mit dem Sonnenkönig vermählt war. Erst auf diese Weise war Cristofero praktisch nach Frankreich gekommen; der vierzehnte Ludwig hatte ihm Château Montagne übereignet, weil damals angeblich der letzte deMontagne ausgestorben gewesen sei.
    Später auf Española und danach im heutigen Louisiana war Zamorra Cristofero bei seinen Zeitreisen wieder begegnet, und der Don hatte durchaus nicht den Eindruck gemacht, als nage er am Hungertuch. Aber mit dem ausgestattet, was man als Vermögen bezeichnen konnte, hätte er sicher ganz anders auftreten können.
    Aber dazwischen lagen nun 50 seiner Lebensjahre. In fünf Jahrzehnten konnte sich eine Menge verändern. Zamorra wußte das selbst nur zu gut.
    Cristofero war also reich geworden.
    Aber was half ihm sein Vermögen? Er war alt und gebrechlich, konnte sich nur unter größten Anstrengungen bewegen.
    Jetzt sah Zamorra, wie er sich aus seinem Sessel erhob.
    Wie er sich hochstemmte, mit zitternden Armen, und dann zunächst leicht schwankend da stand, dann aber doch rasch sicher wurde. Er griff nach dem Gehstock und stützte sich mit der rechten Hand darauf.
    Zamorra suchte nach Cristoferos ständigem Begleiter, dem schwarzhäutigen Gnom. Von dem war nichts zu sehen.
    Was allerdings auch nicht verwunderte. Der Verwachsene würde trotz seiner Zauberkünste kaum ein solches Alter erreicht haben wie sein Dienstherr.
    Eine Tür wurde geöffnet.
    Zwei Indianer traten ein. Sie stießen einen dritten Mann ins Zimmer, der gefesselt war. Er war nackt. Sein Körper war von verkrustetem Blut bedeckt, das auf zu heilende Wunden hindeutete. Man hatte ihn geschlagen und ausgepeitscht. Der wild wuchernde Bart entstellte sein Gesicht. Er war kahlköpfig - mehr als das. Man hatte ihn skalpiert! Allerdings war auch diese gräßliche Wunde bereits so gut wie verheilt. Über dem Schädelknochen hatte sich eine ganz dünne Hautschicht gebildet.
    Der Nackte stürzte vor Cristofero auf den Boden. Mühsam wollte er sich wieder aufrichten. Aber Cristofero hob den Gehstock und tippte damit kurz auf den blanken Schädel des Gefolterten. Der Mann stöhnte auf und sank in sich zusammen. Trotzdem bemühte er sich, wenigstens auf die Knie zu kommen. Ein unbändiger Stolz blitzte in seinen Augen, gepaart mit unendlichem Zorn.
    Zamorra erkannte ihn nur an seiner Körperhaltung.
    Robert Tendyke!
    Die beiden Indianer, die wie Weiße gekleidet waren, nahmen rechts und links neben ihm Aufstellung.
    »So sieht man sich wieder«, sagte Cristofero.
    Seine Stimme klang heiser. Das Sprechen machte ihm sichtlich Mühe.
    Tendyke - oder wie nannte er sich in dieser Zeit? Immer noch Robert van Dyke, als der er 1697 als holländischer Reeder auf der Osterinsel umgekommen war? Oder inzwischen wieder Robert deDigue? - antwortete nicht. [2]
    »Damit hast du wohl nicht gerechnet, du Lump«, krächzte Cristofero. »Daß ausgerechnet ich dir diese Falle gestellt habe. Du hast wohl nicht mehr damit gerechnet, daß ich noch lebe. Verdammt jung siehst
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