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0604 - Das steinerne Volk

0604 - Das steinerne Volk

Titel: 0604 - Das steinerne Volk
Autoren: Werner Kurt Giesa
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niedrigste Stufe des Tieres unterschritten wird, dann wird das Wesen zum Stein.«
    »Und das seid ihr geworden«, vermutete Zamorra. »Ihr seid der Abschaum der Welt, ihr seid das Tiefste im Rad der Wiedergeburt.«
    »Aber wir waren nie Tiere«, sagte die Schöne. »Es muß nicht sein, daß man durch den Abstieg im Tierreich verlorengeht. Wir - wir alle - wurden zu Dämonen.«
    Zamorra schluckte.
    »Das bedeutet, daß all die Finsteren der Hölle, beginnend bei Luzifer, weiter bei Lucifuge Rofocale und all den anderen, wiedergeborene böse Hindi sind?«
    Und nun bin auch ich versteinert -und ein Dämon am Ende seiner Entwicklung? dachte Zamorra erschrocken. Können Dämonen überhaupt wiedergeboren werden? Stürzen sie nicht in die ausweglosen Tiefen des Oronthos oder günstigenfalls in die schauerlichen Seelenklüfte des Abyssos?
    »Die Hölle? Luzifer? Rofocale? Wir kennen diese Namen nicht«, sagte die alte Frau.
    »Wir sind auch keine Hindi«, ergänzte Walker. »Es ist eine Analogie und zugleich etwas Universelles, das doch spezifisch sein kann. Unser Schicksal gleicht dem jener, die im Samsara zum Nirwana streben und doch scheitern.«
    »Oder auch nicht«, wandte die schöne Nackte ein. »Bei einem Indianervolk gibt es die Legende, daß das älteste Volk, das die Erde je bevölkert hat, die Steine waren. Vielleicht sind wir dieses älteste Volk, die ersten, die auf der Erde lebten. Noch vor den Einzellern, die aus dem Meer krochen, um das Land mit Leben zu überschwemmen.«
    »Am Anfang waren die Dämonen«, sagte die alte Dame.
    »Dann erst schuf der Unaussprechliche Himmel und Erde.«
    »Und ich bin jetzt einer von euch«, sagte Zamorra.
    Sie alle nickten. Sie wurden immer mehr.
    Der Brand war gelöscht, sie kamen zu dem Jüngsten in ihrer Runde, um ihn zu sehen und zu akzeptieren.
    Aber ich akzeptiere euch nicht! schrie das Menschliche in Zamorra lautlos. Ich bin kein Dämon! Auch jetzt nicht! Lieber sterbe ich und werde in einer anderen Inkarnation wiedergeboren, als ein Dämon zu sein!
    »Wie konnte es geschehen, daß ich nie von euch hörte?« fragte er und berührte das versteinerte Amulett vor seiner Brust. »Ihr wißt, wer ich bin - beziehungsweise wer ich war?«
    »Der Träger des siebten Sternes von Myrrian-ey-Llyrana«, sagte Walker. »Du warst eine Gefahr für uns. Viele wollten, daß wir dich töten. Andere wußten, daß wir dich integrieren konnten. Das ist nun geschehen. Fortan kannst du den Stern in unserem Sinne wirken lassen.«
    »Aber wieso wußte ich nichts von eurer Existenz?« wiederholte er seine Frage. »Man nennt mich den ›Meister des Übersinnlichen‹. Es gibt kaum etwas, von dem ich nicht schon gehört oder gelesen habe. Ihr kennt den Stern von Myrrian-ey-Llyrana, also kennt ihr auch Merlin. Aber Merlin sprach nie von euch, auch Asmodis nicht.«
    »Wir leben anders«, sagte Walker. »Es ist ein anderer Rhythmus. Wir wissen auch nichts von jenen, die du erwähntest. Unsere Welten berühren sich nur manchmal, nur sehr, sehr selten. Es mag eine Million von Jahren vergehen, bis es das nächste Mal geschieht. Steine werden alt, mein Freund. Sehr, sehr alt.«
    Und für sie sind tausend Jahre wie ein Tag, dachte Zamorra.
    »Die Welten durchdrangen sich. Wir entdeckten dich und deine Gefährtin. Wir entdeckten das magische Potential in euch. Wir griffen in eure Gedanken.«
    »Die abgeschirmt sind«, entfuhr es Zamorra.
    »Davon wissen wir nichts. Unsere Welt durchdringt die eure, durchdringt auch euch. Nur unsere Gesetzmäßigkeiten gelten, aber nicht mehr die deiner Welt, denn unsere ist stärker, weil sie seltener und einmaliger ist. Das Einmalige ist immer mächtiger als die Masse. Wir benutzten eure Gedächtnisbilder, um uns euch zu zeigen, um Kontakt aufzunehmen. Vieles sprach dafür, euch zu töten. Doch nun wird nur deine Begleiterin getötet werden. Du bist einer von uns geworden.«
    »Aber ich bin doch nicht gestorben und wiedergeboren worden.«
    »Nimm nicht alles so wörtlich«, sagte Walker. »Es ist der Fehler von euch Menschen, stets in der Analogie das Absolute zu sehen. Du bist kein Mensch mehr. Beginne endlich, frei zu denken.«
    O ja, das tue ich bereits, dachte Zamorra. Könnt ihr meine freien Gedanken denn nicht lesen? Oder habe ich jetzt meine Gesetzmäßigkeit in diese Welt und diese Existenzform mit eingebracht, und ihr könnt nicht mehr in meine Gedankenwelt greifen, weil ich jetzt einer von euch bin?
    Er erhielt keine Antwort darauf.
    »Beinahe wäret ihr uns doch
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