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058 – Das Gift des Rings

058 – Das Gift des Rings

Titel: 058 – Das Gift des Rings
Autoren: Neo
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ihre Hände. Eines der vielen Signale, die sie ausgemacht hatten. Dieses bedeutete, dass zu viel Nähe zwischen den beiden von Beobachtern nachteilhaft interpretiert werden könnte. Was implizierte, dass Theta erwartete, beobachtet zu werden. Sie würde ihren Bericht also wohl zu einem späteren Zeitpunkt geben wollen.
    »Ich hoffe, die Hand des Regenten ist zufrieden mit dir?«, fragte Ihin.
    »Sein Amt bringt viele Sorgen mit sich. Bei mir findet er nach endlosen Gesprächen mit den Hohen des Imperiums die Ruhe, die er braucht.«
    Ruhe war das Kodewort dafür, dass Theta noch immer nichts Entscheidendes erfahren hatte. Nichts, was da Teffron erpressbar gemacht hätte. Immerhin bestand noch die schwache Hoffnung, dass unter dem, was er ihr nachts anvertraute, etwas war, was Theta unterschätzte, für Ihin aber Sinn ergab. Sie war weit besser als eine einfache Kurtisane darüber informiert, was hinter den Kulissen der Macht vor sich ging. Viele Erkenntnisse ließen sich erst durch die Verknüpfung einer Information im Geflecht größerer Zusammenhänge gewinnen. Deswegen kam Ihin dieses Treffen sehr gelegen. In einer persönlichen Begegnung konnte sie viel mehr vermitteln als in einem Hyperfunkgespräch. Der Reichtum der nonverbalen Signale gab Ansatzpunkte für Ihin, die richtigen Fragen zu stellen.
    Zischend öffnete sich die Tür. Eine Frau und ein Mädchen folgten Sergh da Teffron und einem Mann in Ihins Alter, den eine Schnalle am Uniformkragen als Gouverneur von Naat auswies. Das musste also Ghorn ter Marisol sein.
    Während seine Frau Ihin begrüßte und über die farbigen Leuchtgloben schwatzte, die den Tisch erhellten, ging da Teffron zu Theta und forderte einen Kuss ein. Er war kleiner als die Kurtisane. In seinen Augen stand Stolz, als sein Blick über ihre schlanke Gestalt glitt. Widerwillig gestand sich Ihin ein, dass Sergh gut aussah, wenn man das Basismaterial seines über eineinhalb Jahrhunderte alten Körpers berücksichtigte. Er wirkte energiegeladen, die weiße Uniform saß perfekt, das Regenbogencape fiel in gefälligen Falten. Er machte sogar zaghafte Versuche, sich individuell zu schmücken. Dieser merkwürdige Ring, den er an der rechten Hand trug, hatte keine Ähnlichkeit mit dem simplen Metallreif, den er bei ihrer letzten Begegnung getragen hatte. Dieses Schmuckstück schuf die Illusion von Flüssigkeit. Wie Quecksilber, das um den Finger strömte.
    Offenbar tat Theta ihm gut. Ein breites Lächeln zog sich über sein faltiges Gesicht, als er sie zu ihrem Platz geleitete. Sehr gut, dachte Ihin. Er ist nicht nur zufrieden mit ihr. Er ist ihr verfallen. Beinahe erschien es ihr schon riskant, wie deutlich sich Theta von ihm hofieren ließ. Wenn er sich lächerlich machte, würde er sie fallen lassen müssen. Sie würde mit Theta darüber sprechen.
    Nachdem sie sich gesetzt hatten, war noch ein Stuhl frei. Er hatte an dem runden Tisch ungewöhnlich viel Abstand nach rechts und links. Als die Tür für den letzten Gast zur Seite glitt, wurde Ihin der Grund dafür sogleich klar. Einer der fettesten Arkoniden, die Ihin jemals gesehen hatte, betrat schnaufend den Raum. Sein mit Goldapplikationen versehenes zeltähnliches Gewand wies ihn als Angehörigen des Hochadels aus.
    »Schön, dass Sie kommen konnten!«, rief Gouverneur ter Marisol. »Ich hoffe, Sie können Ihre Sorgen in unserem Kreis für einen Moment vergessen!« Er deutete auf den freien Stuhl. »Setzen Sie sich, da Gonozal.«
    Ihin sog die Luft ein. Konnte dieser Kahlköpfige wirklich ...?
    Tatsächlich verharrte der Mann, als sei er gegen ein Prallfeld gelaufen. »Ihin ...«, stotterte er. »Was für eine freudige Überraschung!«
    Unter dem Tisch ballte Ihin die Hände so fest um das Besteck, dass es in ihre Handfläche stach. Sicher, es war über ein Jahrzehnt her. Sie hatte davon gehört, dass Charron da Gonozal inzwischen mit seiner extravaganten Jacht durch das halbe Imperium gekreuzt war. Aber wie konnte sich ihr ehemaliger Liebhaber in eine solch monströse Qualle verwandelt haben?
     
    Sergh da Teffron nippte nur an seinem Glas. Er wollte einen klaren Kopf behalten. Er speiste mit Feinden. Zumindest musste jemand in seiner Position immer davon ausgehen. Wenn ein Herrscher vertrauensselig war, würde eher früher als später jemand Profit aus dieser Schwäche schlagen.
    Vor allem aber brauchte er nachher noch seinen Verstand. Die Positronik, die er vor zwölf Jahren bei seiner Abreise von Naat programmiert hatte, hatte ihm eine
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