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0573 - Der uralte Henker

0573 - Der uralte Henker

Titel: 0573 - Der uralte Henker
Autoren: Jason Dark
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oft ein anderes Aussehen gaben.
    Es waren die Zeiten, von denen einer nichts mitbekam.
    Lorenzo, der Henker!
    Der Teufel hatte sein Versprechen gehalten. Bis zum Ende der Zeiten wollte er ihn bestrafen. Und so stand der Henker im Nichts zwischen den Welten des Grauens eingeklemmt, ohne etwas von der normalen Welt erkennen zu können.
    Er hatte sich in den ersten Jahren verändert. Aus dem Mann im besten Alter war ein müde wirkender Greis geworden. Seine stark ergrauten Haare hingen bis zu den Schultern hinab oder fielen in die Stirn. Das Gesicht war eingefallen, die Haut ledrig und blaß geworden. In einem Halbbogen wuchs ein ebenfalls grauer Bart über die Lippen hinweg und an den Seiten des Mundes entlang, wo sich die Enden der Strähnen mit dem Kinnbart vereinigten, die wiederum zusammenkamen mit den langen Haaren rechts und links des Kopfes.
    Die Zeit hatte aus dem Henker Lorenzo einen müden, alten Mann, einen Greis gemacht.
    Und doch lebte er. Er bekam mit, wie sich die Haut an einigen Stellen seiner Hände löste, abfiel wie dünnes Papier, so daß die blanken Knochen zum Vorschein kamen.
    Die Kleidung verblich. Nach einer gewissen Zeit hing sie nur mehr in Fetzen um seinen Körper.
    Irgendwann geriet die Verwandlung zum Stillstand. Der Henker blieb so, wie er war, und auch der Nagel steckte noch immer in seiner Kehle. Nur glühte er nicht mehr. Sein stumpfes Ende schaute wie ein dunkler Knopf aus der dünnen Haut des Halses hervor.
    Zweimal schaute der Teufel nach ihm.
    Er freute sich jedesmal diebisch darüber, wenn er Lorenzo sah. Er konnte es kaum begreifen, tanzte und rieb seine Klauen so stark gegeneinander, daß Funken sprühten.
    Der Satan verhöhnte und verlachte Lorenzo. Seine Worte troffen vor Spott und Hohn.
    Antworten konnte der Henker nicht. Er blickte den Teufel nur an.
    Augen, die tief in den Höhlen lagen und die sehr müde geworden waren. Über ihnen wuchsen die Brauen als schlohweiße Balken. Sie hatten die gleiche Farbe angenommen wie das Haar und der Bart.
    Der Teufel verschwand, ließ den Henker allein, und wiederum verstrichen Jahrzehnte oder Jahrhunderte.
    In dieser Welt regte sich nichts. So blieb ein Leerraum, ein Vakuum. Es kam auch kein Gefangener hinzu, der Henker blieb allein mit seinem grauenhaften Schicksal.
    Um ihn herum drängte sich die Dunkelheit zusammen, als wäre sie verdichtet worden, um den Gefangenen noch stärker in Beschlag zu nehmen. Die Finsternis war wie ein Grab.
    Aber es gab eine Dunkelheit, die noch intensiver war.
    Wann sie erschien, hätte der Henker nie sagen können. Jedenfalls war sie auf einmal da. Nicht einmal plötzlich, nein, sie hatte sich langsam herangetastet und war eigentlich ein Nichts. Ein Wesen, das nicht erfaßt und begriffen werden konnte und trotzdem auf eine unvorstellbare Art und Weise existierte.
    Es näherte sich dem Gefangenen.
    Er konnte die Augen nicht schließen, er starrte nur in die Leere hinein, und gerade in diesem schwarzen Vakuum bewegte sich etwas, das noch dunkler war.
    Er rollte heran…
    Lautlos, unheimlich, wie Nebel und auch so wolkenartig. Ein nicht erfaßbares Gebilde, das die Welt des Teufels erobern wollte und dabei stärker war als der Henker.
    Es war eingedrungen, um ihn zu sehen und mit ihm Kontakt aufzunehmen.
    Der Henker erwachte zwar nicht aus seiner Starre, doch er spürte etwas. Die Schwärze kroch an ihm hoch, sie berührte ihn. Sie schaffte Kälte, die ihn erwachen ließ.
    »Wer bist du?«
    Zum erstenmal nach all den Jahrhunderten hörte sich der Henker selbst sprechen. Hätte er gekonnt, er wäre über seine eigene Stimme erschrocken gewesen, denn sie umhüllte ihn von allen Seiten und besaß einen Klang, als wäre sie aus der Tiefe einer Gruft gedrungen.
    »Ich bin nicht zu fassen. Ich bin da, ich bin schon immer dagewesen, ich werde immer bleiben…«
    Es war eine Antwort, die alles beinhalten konnte. Sie erreichte den Henker von allen Seiten, und er mußte zugeben, daß tatsächlich die schwarze Wolke gesprochen hatte.
    Das konnte er einfach nicht begreifen, obwohl er darüber nachdachte und auch zu einem Entschluß gekommen war.
    Diese Wolke schien kein Abgesandter des Teufels zu sein. Sie war aus einem anderen Reich gekommen, wie er annahm. Möglicherweise gehörte sie zu den Feinden des Höllenherrschers.
    »Ich kenne dich nicht!« flüsterte der Henker. »Du bist nicht der Satan – oder?«
    »Nein, das bin ich nicht.«
    »Hast du einen Namen?«
    »Ich bin überall und nirgends. Ich bin der
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