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0544 - Der Bleiche

0544 - Der Bleiche

Titel: 0544 - Der Bleiche
Autoren: Jason Dark
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dagegen, wenn ich mir den Tee etwas verfeinere?«
    »Nein, weshalb sollte ich?«
    Sie schaute jetzt Suko an. »Mein verstorbener Mann fuhr zu See. Er trank wahnsinnig gern Rum. Das kleine Hobby habe ich von ihm übernommen. Der Tee schmeckt wirklich gut, wenn ich einen Schuß hineingieße. Möchten Sie auch?«
    Ich schaute sie fast streng an und hatte Mühe, ein Lachen zu unterdrücken. »Wir sind doch im Dienst, Mrs. Freeland.«
    »O pardon, das hatte ich ganz vergessen. Dann entschuldigen Sie vielmals, Mr. Sinclair.«
    »Aber Sie können doch«, sagte Suko.
    »Natürlich gern.«
    Wir hatten damit gerechnet, daß sie eine kleine Flasche hervorholen würde. Was Mrs. Freeland jedoch aus dem Schrank hervorzauberte, war eine Flasche, die fast Kanistergröße besaß. »Mein Mann hat davon mehrere mitgebracht«, sagte sie und stellte die Flasche auf den Tisch. »Zwei volle habe ich noch.«
    Diese hier war zu einem Drittel leer. Sie holte sich ein Wasserglas und kippte es zur Hälfte voll. Die große Flasche stellte sie unter einen Tisch. Gemeinsam griffen wir zu den Tassen.
    »Lassen Sie uns darauf trinken, daß Sie bei diesem schlechten Wetter nicht umsonst den langen Weg gefahren sind, meine Heeren.«
    Wir tranken den Tee alle pur. Als wir die Tassen abgestellt hatten, kippte Mrs. Freeland sich einen kräftigen Schluck Rum hinter die Binde und verdrehte die Augen. »Ah, das tat gut.«
    »Kann ich mir denken.«
    »Ich habe noch ein Laster«, flüsterte sie uns zu.
    »Welches denn?«
    »Ich rauche Zigarren, Mr. Sinclair.«
    »Bitte, tun Sie sich keinen Zwang an.«
    »Danke sehr.« Sie öffnete den Deckel eines Kästchens und holte die Zigarre hervor. Es war eine lange Schwarze und schon abgeknipst. Ich reichte ihr Feuer, sie paffte einige Züge und lehnte sich dann entspannt zurück. »So, jetzt können Sie noch etwas fragen.«
    »Wie war das denn mit der Frau?« wollte Suko wissen.
    Mrs. Freeland schüttelte den Kopf, als könne sie es selbst nicht glauben. »Wenn ich Ihnen das erzählte, werden Sie mich für verrückt halten, doch diese Person, sie heißt Kyra Benson, wohnt auf derselben Etage, mir direkt gegenüber.« Ella Freeland hob die Schultern. »Sie ist Witwe. Ihr Mann ist seit einigen Monaten tot, doch ich weiß, daß er trotzdem noch lebt.«
    »Wieso?«
    »Weil er am Abend immer zu ihr kommt.«
    Ich mischte mich ein. »Meinen Sie denn, daß die Bensons durch den angeblichen Tod die Versicherung betrogen haben, um die Prämie zu kassieren?«
    »Nein, daran glaube ich nicht. Wie gesagt, er ist tot.« Sie streifte Asche ab und paffte wieder zwei dicke Wolken, »aber er lebt trotzdem weiter. Nicht als Mensch, sondern als Geist.«
    »Aha.«
    »Verstehen Sie?«
    »Nicht ganz«, gaben Suko und ich wie aus einem Munde zu.
    »Das habe ich mir gedacht. Ich will mal so anfangen. Wenn ein Mensch sich von dieser Erde verabschiedet hat und gestorben ist, dann trennt sich die Seele vom Körper. Der Körper wird begraben und zerfällt im Laufe der Zeit zu Staub. Das ist Natur.«
    Wir nickten.
    »Kommen wir zur Seele. Sie geht in ein anderes Reich ein. Ins Jenseits, in den Himmel, die Hölle oder in das Fegefeuer, wie ich früher in der Schule lernte. Die meisten Seelen werden glücklich, aber nicht die des armen Mr. Luke Benson.«
    »Woran haben Sie das erkannt, Mrs. Freeland?« fragte Suko.
    Sie produzierte wieder eine Wolke und wischte sie mit zackigen Handbewegungen zur Seite. »Das habe ich doch gesehen. Er besucht sie jeden Abend. Luke Benson kehrt aus dem Reich der Toten zurück, um seine Frau Kyra zu besuchen.«
    »Als Geist?«
    »Das nehme ich an.«
    »Und Sie haben es beobachtet?«
    »Ja!«
    Suko schaute mich an. »Was meinst du dazu, John?«
    Ich hob die Schultern. »Vielleicht sollten wir mal hinüber und mit Kyra Benson sprechen.«
    »Nein, nein!« rief Mrs. Freeland fast aufgeregt. »Das… das ist unmöglich. Das können Sie nicht machen!«
    »Weshalb nicht?«
    »Sie würde alles abstreiten, Mr. Sinclair.«
    »Haben Sie mit ihr schon darüber gesprochen?«
    »Nicht direkt, Mr. Sinclair. Ich habe mal etwas angedeutet. Ich sprach sie auf das Witwendasein an, das wir beide nun mal gemeinsam haben. Da erklärte sie mir, daß sie nicht als so schlimm empfinden würde. Im Gegenteil, sie fühlte sich ziemlich gut. Dies wiederum hat meinen Verdacht stark erhärtet. Ich beobachtete sie weiter und sah jeden Abend ihren verstorbenen Mann.«
    »Sie meinen, dessen Geist.«
    »Oder auch das.«
    Bisher hatte sie weder Suko
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