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0541 - Der Sohn des Höllenfürsten

0541 - Der Sohn des Höllenfürsten

Titel: 0541 - Der Sohn des Höllenfürsten
Autoren: Werner Kurt Giesa
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schlecht vor den Kopf stoßen, indem sie seine Einladung ablehnten. Das gab nur Ärger. Aber es wurde ja niemand gezwungen, den Krug innerhalb kürzester Zeit zu leeren.
    »Verzeiht, wenn ich so direkt frage«, sagte der Mann, der sich als Gustave vorgestellt hatte. »Aber Ihr nanntet vorhin Euren Namen als deDigue, Herr. Wenn ich mich recht entsinne, sucht Ihr nach Eurem Urgroßvater.«
    Tendyke nickte.
    »Ein Mann namens Romano deDigue hat viele Jahre bei uns gelebt. Er verstarb vor kurzem. Ihr findet sein Grab auf unserem Totenacker. Die Namensähnlichkeit ist enorm, findet Ihr nicht auch? Vielleicht ist das Euer Urgroßvater. Das Alter könnte stimmen, und er hatte auch Eure Augen. Er ist sehr alt geworden, wirklich sehr alt. Über hundert Jahre.«
    »Weißt du, woher er kam?« fragte Tendyke.
    »Nein, mein Herr. Von irgendwo aus dem Osten, glaube ich.«
    »Hat er jemals über seine Vergangenheit geredet, über seine Familie?«
    »Nein. Er war ein seltsamer Mann. Er sprach nur wenig. Und er war immer irgendwie unruhig. Er wohnte hier in diesem Gasthaus. Der Wirt mag es Euch jederzeit bestätigen und Euch wohl auch die kleine Stube zeigen, in der der alte Herr wohnte. Er arbeitete nie, und er hatte doch immer genug Geld zum Leben. Manchmal ging er fort, und dann kam er mit einem ganzen Sack voller kleiner Münzen zurück. Einige Male hat er wohl auch ein Goldstück hingelegt. Niemand weiß, woher er das Geld hatte. Er war nicht arm. Doch warum wohnt ein reicher Mann sein Leben lang in einem Gasthaus?«
    Zamorra und Tendyke sahen sich an.
    »Wie sah er aus?« fragte Tendyke dann.
    »Nun, wie alte Männer eben aussehen. Faltige Haut und weißes Haar. Erstaunlich dichtes Haar übrigens. Und… ja, sein linkes Auge war nicht in Ordnung. Es war eine Narbe. Er sagte, vor langer Zeit habe ihm jemand mit einer alten Flinte eine Bleikugel hineingeschossen Es sah schlimm aus, dieses kaputte Auge. Aber er hat nie eine Augenklappe getragen.«
    »Das ist er«, sagte Tendyke. »Das ist der alte Romano, so wie meine Mutter ihn mir immer beschrieben hat.« Er beugte sich vòr. »Wie hat er hier gelebt, und wann ist er gestorben und warum?«
    »Anfang des Jahres ist er gestorben. Warum? Na, guter Herr, woran sterben alte Menschen wohl? Sie werden krank und siechen dahin, und irgendwann schließen sie die Augen für immer. Das ist der Lauf der Dinge. Aber er hat ein sehr langes Leben gehabt. Manchmal erzählte er von der Vergangenheit. Nicht von seiner eigenen, das hat er niemals getan. Aber von Dingen, die passiert sind, als er jung war… Es ist schon erstaunlich. Ganze hundert Jahre zu leben… ich kann mir das nicht vorstellen. Ich glaube gar, es ist zu lang für einen Menschen. Zum Ende hin hàt er wohl auch nicht mehr leben wollen.«
    »Von seiner Enkeltochter hat er nichts erzählt?«
    »Ich sagte es schon, Herr deDigue. Er sprach nie über seine Familie, wenn er denn eine hatte. Und jetzt kommt Ihr und seid mit ihm verwandt. Es ist schon seltsam, wie das alles geht… aber zu erben gibt es nichts. Er hat keine Besitztümer angehäuft. Das Geld, das bei seinem Tod übrig war, haben der Pfaffe und der Totengräber genommen. Wenn Ihr sein Grab besuchen wollt, es ist das fünfte ganz vorn in der Reihe.«
    Tendyke nickte.
    »Ich will nichts erben. Ich will nur wissen, wie er lebte, was aus ihm wurde.«
    »Staub, den die Würmer fressen. Ach, etwas Verrücktes war da noch. Bevor er starb, verlangte er, daß seine Geldbörse mit ihm begraben werden sollte.«
    »Und das ist geschehen?«
    »Sicher. Aber das muß ein wenig seltsam gewesen sein. Es war noch ein Goldstück darin, sagte der Totengräber. Er hat’s herausgenommen, weil der Tote ja doch kein Goldstück mehr braucht. Die Himmelspforte öffnet sich nicht für Gold, sondern für ein gottgefälliges frommes Leben. Und falls er zur Hölle gefahren sein sollte, was ich ihm nicht wünsche und Gott verhüte - nun, Gold schmilzt im Höllenfeuer. Was sollte er also noch damit? Aber dann, als der alte Herr beigesetzt wurde, war wieder ein Goldstück in der Geldkatze. Eines, das vorher nicht darin gewesen war. Der Totengräber schwört’s auf die Bibel, wenn man ihn fragt. Er hat das einzige Goldstück herausgenommen, und dann war doch wieder ein anderes drin… Meint Ihr nicht, daß das vielleicht Hexerei sein möchte?«
    Zamorra atmete tief durch. Ein alter Hexer, der Nachfahre eines Hexers Jetzt fehlte nur noch, daß die Hexen-Hysterie sich schon bis hierher durchgefressen
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