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046 - Drakula lebt

046 - Drakula lebt

Titel: 046 - Drakula lebt
Autoren: Hugh Walker
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begann.
    Ich ließ ihr keine Zeit. Ich riß die Vorhänge zur Seite und stieß die Läden auf.
    Sonnenlicht flutete blendend in das Zimmer und griff nach der Gestalt im weißen Schwesternkittel mit den umgekehrten schwarzen Kreuzen an den Ärmeln.
    Die Frau schrie. Es war ein schriller, langgezogener Ton, der uns vor Entsetzen lähmte. Die Frau begann sich zu krümmen, zu wanken. Ihre Schreie kamen stoßweise, markerschütternd. Keine Seele in diesem Haus konnte mehr schlafen.
    Sie hatte die Arme vors Gesicht gepreßt. Warum lief sie nicht zur Tür? Sie schien erstarrt. Einen Moment fühlte ich Mitleid mit ihr in all dem Grauen. Dann sah ich, wie sich das Fleisch regelrecht von ihren Händen zu lösen begann, wie es in fauligen Fetzen herabhing.
    Und dieses entsetzliche Schreien hörte nicht auf. Es mußten höllische Qualen sein, die diese Kreatur litt.
    Bewegung kam in Freddie, vielleicht aus Mitleid, vielleicht auch nur, weil er wußte, dieses Schreien würde alle in diesem Haus wecken. Er holte mit seiner Metallschiene aus und ließ sie in hohem Bogen herab sausen. Er glich einem Racheengel. Die Schiene schnitt durch den Nacken der wankenden Frau. Ihr Kopf kippte zur Seite, das wahnsinnige Schreien brach ab. Die Gestalt stürzte.
    In der folgenden Stille lauschten wir mit angehaltenem Atem.
    Unten wurde das Haus lebendig. Schritte, Stimmen, Türen …
    „Sie kommen“, flüsterte Freddie. Sein Gesicht war weiß.
    „Laß sie kommen“, knirschte ich. „Wir sind gewappnet. Gut genug gewappnet. Mach die Tür auf, Freddie, damit sie unseren Verbündeten sehen können!“
    „Du bist verrückt“, entfuhr es Freddie.
    „Mach auf!“ wiederholte ich scharf. „Siehst du nicht, was das Licht mit ihnen macht?“ Ich deutete triumphierend auf die reglose Gestalt am Boden.
    Wir beugten uns beide über sie. Die leeren Höhlen eines Totenschädels starrten uns an. Die Knochen sahen grau aus den Kleidern hervor, als lägen sie seit hundert Jahren in einem Grab. Als ich den weißen Schwesternkittel zur Seite zog, um die auf dem Kopf stehenden schwarzen Kreuze, die in die Ärmel gestickt waren, näher betrachten zu können, gewahrte ich die Staubschicht auf dem Boden darunter.
    Das war also alles, das von ihrem Fleisch, von ihrem seltsamen Leben übriggeblieben war. Staub und morsche Gebeine! Jahrzehnte, vielleicht ein Jahrhundert der Verwesung geschahen in einem Augenblick. Ich schauderte. Vor einer Minute war sie in den Raum gekommen. Nicht ganz menschlich vielleicht, aber von Leben erfüllt.
    Wir schreckten beide auf. Stimmengewirr kam näher.
    „Soll ich noch immer öffnen?“ meinte Freddie. Es sollte wohl sarkastisch klingen, aber es gelang nicht ganz.
    Ich nickte.
    Das schien er nicht erwartet zu haben. Er sah mich verwirrt an.
    „Hast du immer noch nicht begriffen? So ergeht es jedem, der in dieses Zimmer kommt.“
    Zögernd ging er zur Tür. Dann gab er sich einen Ruck und riß sie auf.
    Ein mehrfaches Kreischen folgte, ein Wirbel von Bewegung vor der Tür. Zwei Schwestern standen erstarrt im Licht. Sie hatten offenbar zu spät reagiert. Das Licht hatte sie bereits gelähmt. Wie ihre Vorgängerin schrien sie, und wir sahen entsetzt und fasziniert, wie das Licht sie auffraß bei lebendigem Leib. Ihre Beine, ihre Arme, ihr Gesicht verfielen, wurden grau und faltig – steinalt. Die Haut riß auseinander wie Papier. Die Schreie brachen ab. Die Gestalten sanken zusammen. Noch im Fallen lösten sie sich auf in Staub und Knochen.
    Diesmal war es nicht still hinterher. Auf dem Kiesweg im Park näherten sich hastige Schritte mehrerer Personen. Natürlich konnten diese irren Schreie auch draußen nicht überhört werden. Aber das war nun Lukards Problem. Und je mehr Probleme er hatte, desto besser. Wahrscheinlich waren es Hartwigs Männer, die herbeistürzten.
    Ich hatte nicht mehr Zeit für einen Blick nach draußen. Eine Gestalt stand plötzlich unbeweglich vor uns.
    Dr. Lukard! Was mich dabei am meisten erstaunte, war die Tatsache, daß das Sonnenlicht ihm offensichtlich nichts anzuhaben vermochte. Wie ging das zu? dachte ich betäubt. War er keiner von ihnen?
    Seine Züge waren angespannt, als kostete es ihn ungeheure Kraft, hier zu stehen. Das war also einer seiner neuen Tricks. Wie lange vermochte er es wohl zu ertragen? Minuten? Stunden? Oder, und ich erschrak bei dem Gedanken, unbegrenzt? Hatte er ein schützendes Mittel gegen den Tag entdeckt, irgendein Medikament, das in phantastischem Metabolismus den
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