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0400 - Jenseits-Melodie

0400 - Jenseits-Melodie

Titel: 0400 - Jenseits-Melodie
Autoren: Jason Dark
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dunklen Flügel.
    »Willst du mich hier töten?« fragte Cardinal.
    »Nein. Ich führe dich zum Richtblock und werde dich dort…«
    »Bitte«, unterbrach der Pianist den Henker. »Bitte, ich möchte einen letzten Wunsch aussprechen.«
    »Und der wäre?«
    »Jeder Delinquent hat einen Wunsch frei. Deshalb bitte ich dich um folgendes. Ich möchte meinen Tod an der Stelle finden, wo ich immer gelebt habe.«
    »Und wo wäre das?«
    »Hier«, erwiderte der Pianist leise und bestimmt. »Vor dem Klavier sollst du mich köpfen!«
    »Ha, ha…« Aus dem Mund des Henkers drang ein stockendes Lachen, das jedoch bald verstummte, denn der Mann wußte nicht mehr, ob der andere nun scherzte oder nicht.
    »Willst du mir diesen Gefallen erweisen? Wie gesagt, es ist der letzte Wunsch eines Verurteilten.«
    Der Henker war durcheinander. »Alles wird voll Blut sein, das weißt du doch…«
    »Man kann es wegwischen. Es gibt genügend Diener im Schloß, die diese Aufgabe für dich übernehmen werden.« Cardinal beugte seinen Kopf vor, so daß der Nacken gespannt wurde. »Bitte, du kannst zuschlagen. Ich hindere dich nicht daran.«
    Der Henker glaubte zu träumen. Von Amts wegen hatte er schon viele Personen hingerichtet, aber so etwas hatte ihm noch niemand gesagt. Das mußte ein Spinner sein oder ein Mensch, der tatsächlich völlig anders dachte als die übrige Welt.
    Er war Musiker, lebte in anderen Sphären, wie er selbst behauptete, und schaute seinen Henker von unten her direkt an, wobei er noch leicht nickte. »Willst du mich nicht töten?«
    »Wartest du darauf?«
    »Ja.«
    Der Henker schluckte, bevor er sein Schwert anhob. Auf dem Sitz nahm Manfredo Cardinal wieder seine alte Haltung ein, die dem Henker so demütig vorkam.
    Er hob sein Schwert.
    Die Kaiserin hatte es befohlen, und er war kaisertreu und würde auch seinen Lohn bekommen.
    Dann schlug er zu.
    ***
    Es war die Stille des Todes, die den Henker umhüllte. Eine grausame, selbst für ihn fürchterliche Stille, weil dieser Ort eben ein anderer war als der gewohnte. Er hatte seinen Auftrag erfüllt, aber er verspürte keinen Triumph. Etwas war in diesem Fall anders gelaufen. Geistesabwesend schaute er auf den Kopf und die Hand.
    Ja, er hatte beides abgeschlagen, wie ihm der Bote der Kaiserin aufgetragen hatte. Sie wollte die Hand besitzen, denn sie hatte Manfredo Cardinais Spiel gehaßt.
    Jetzt war es vorbei!
    Er sah die Hand, er sah den Kopf, und er dachte an seinen Nachfolgeauftrag. Kopf und Hand sollten der Kaiserin gezeigt werden, damit sie es auch glaubte. Das war auch außergewöhnlich und noch nie vorgekommen.
    Sein Schwert nahm der Henker mit, als er den Saal durchschritt und auf die Tür zuging, die er nicht hinter sich geschlossen hatte. Er verließ ihn und sah außen neben der Tür die Klingel, an deren Band er dreimal heftig zog.
    Der Glockenton hallte durch die prunkvollen Räume. Er wurde von den Dienern gehört, die sehr schnell erschienen und von dem Henker eingewiesen wurden.
    Es waren zwei in Schwarz gekleidete Gestalten mit bleichen, unbeweglichen Gesichtern, die stumm ihre Arbeit verrichteten. Einer von ihnen trug einen Leinensack. In ihm sollte der Torso des Pianisten verschwinden. Der Henker beobachtete schweigend ihre Arbeit.
    Und als sie den Sack fortschleppten, folgte er ihnen.
    »Ist das Feuer angefacht worden?« fragte er.
    »Ja.«
    »Ich werde mich davon überzeugen.«
    Auch das hatte die Kaiserin so gewollt. Der Körper des Pianisten sollte verbrannt werden. Man durfte nicht mehr an ihn erinnert werden. Kopf und Hand wollte der Henker ihr persönlich präsentieren.
    Die Diener trugen den Leinensack und gingen dabei sehr schnell, als hätten sie Furcht, noch länger in diesem Schloß bleiben zu müssen. Sie paßten einfach nicht in die prächtigen Räume. Sie und der Bau waren zwei verschiedene Welten, die nie zueinanderkommen würden.
    Der Henker ging gemessenen Schrittes. Über seine Taten hatte er sich nie Gedanken gemacht. Er war ein willfähiges Werkzeug der Kaiserin, die über allem thronte.
    Licht und Schatten tauchten den Platz vor dem Schloß in ein interessantes Muster. Meterhohe, grüne Hecken, sorgfältig gestutzt, grenzten ihn gegen fremde Blicke ab. Über den Rand der Hecken hinweg schaute ein wenig vorwitzig das Denkmal der Gloriette, wo die Kaiserin oft saß und einen Blick über Wien besaß, das ihr zu Füßen lag.
    Die Schritte der Diener knirschten auf dem feinen Kies. Sie trugen den Sack dorthin, wo ein feiner Rauchschleier
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