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0378 - Mörder-Totem

0378 - Mörder-Totem

Titel: 0378 - Mörder-Totem
Autoren: Werner Kurt Giesa
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sind. Selbst Kriege wurden einst nur dann geführt, wenn die Frauen die Erlaubnis dazu gaben. Ein Häuptling führt zwar den Stamm, wie er es für richtig hält, aber er wird sich stets Rat holen. Und die Erbfolge geht hier über die Frau, die der Kern der Familie und des Clans ist.«
    »Erstaunlich«, wandte Monica Peters ein. »Das widerspricht doch dem Bild, das uns immer wieder überliefert wird: Der Mann ist der Jäger und Angler und Krieger, und der Frau bleibt die eigentliche harte und erschöpfende Arbeit. Das Feld bestellen, die Zelte bauen, kochen, backen, nähen, waschen, Kinder gebären…«
    White Spear lächelte. »Und daraus folgern die Weißen, daß wir Männer die Herren sind, die sich auf die faule Haut legen, während die Frauen sich abschuften, ja?«
    Monica nickte. »Ist es nicht so?«
    »Jeder übernimmt die Arbeit, für die er am besten geeignet ist. Es ist eine Frage der Belastbarkeit«, sagte der Häuptling. »Die Frau als Jägerin wird nicht stundenlang hinter dem Wild her laufen können, ohne zu ermüden, wogegen der Mann die ständig gleiche Arbeit im Dorf nicht lange aushalten wird, ohne gereizt zu werden. Wir verstehen nicht, weshalb die Weißen, die sich einer großen und alten Zivilisation rühmen, es nicht schaffen, von sich aus zu einer vernünftigen Einteilung zu kommen.«
    »Das, was ihr für vernünftig anseht«, wandte Tendyke ein. »Aber ihr lebt eben nach einem völlig anderen Rhythmus.«
    »Ja«, sagte der Häuptling.
    Zamorra ließ sich nach den einleitenden Erklärungen schildern, was in den letzten drei Tagen beziehungsweise Nächten hier geschehen war. Drei Tote hatte es im Pueblo gegeben, und einen vierten bei der Reservations-Polizei…
    »Sind die Toten schon beigesetzt, oder kann ich sie mir einmal ansehen?« fragte Zamorra.
    »Die Asche der beiden Männer wurde den Windgeistern übergeben«, sagte White Spear. »Das Mädchen wird heute in den Abendstunden den Weg zu den Ahnen finden.«
    »Ich möchte den Leichnam sehen«, wiederholte Zamorra.
    Der Häuptling machte ein ablehnendes Gesicht. »Sie sind ein Fremder«, sagte er. »Mit welchem Recht wollen Sie die Tote sehen?« - »Es ist wichtig«, sagte Zamorra. »Vielleicht erfahre ich dadurch etwas über die Umstände ihres Todes.«
    »Die Umstände sind klar: sie wurde totgebissen.«
    »Das meinte ich damit nicht«, wehrte sich Zamorra. »Ich meine vielmehr: warum mußte das Mädchen sterben? Warum mußten die beiden Männer vorher sterben? Warum wird ein friedlicher Puma-Hopi plötzlich zum erbarmungslosen, besessenen Mörder?«
    »Besessenheit«, sagte Tendyke.
    »Er ist von einem bösen Geist besessen«, behauptete auch White Spear.
    »Dennoch möchte ich das Mädchen sehen. Und auch berühren, wenn es erlaubt ist. Es ist wirklich wichtig, Häuptling.«
    White Spear verzog das Gesicht. Er wandte sich Tendyke zu. »Bist du sicher, daß du den richtigen Helfer mitgebracht hast, Robert?«
    Der Abenteurer nickte.
    »So kommen Sie«, sagte der Häuptling und erhob sich. »Schauen Sie sich die Tote an. Ich führe Sie hin.«
    Tendyke und die Mädchen blieben in der Wohnkammer des Häuptlings zurück, die geschmackvoll mit Fellen und Decken eingerichtet war. Auch die Zivilisation hatte sich im Pueblo ausgebreitet; es gab Tische, Stühle, Schränke modernster Art und selbst einen Fernseher und Videorecorder. Von Indianerromantik früherer Zeit war bis auf die Felle und Decken nicht viel zu sehen. Die Frau des Häuptlings bewirtete stumm die Gäste und hielt sich im Hintergrund eines zweiten Raumes zurück, aber Zamorra war sicher, daß sie von dort aus der Unterhaltung mit wachen Sinnen folgte.
    Als Zamorra und White Spear gegangen waren, wandte sich Tendyke in Deutsch, der Muttersprache der Zwillinge, an Monica und Uschi. »Habt ihr etwas entdecken können?«
    »Keine aggressiven Gedanken«, sagte Uschi. »Wir versuchen es schon die ganze Zeit über, spüren aber nichts. Wenn dieser Tamo Alekko sich in der Nähe befindet, dann kann er sich entweder sehr gut abschirmen, oder er denkt einfach nicht. Aber das können wir uns nicht vorstellen. Wir nehmen jeden anderen Hopi auf. Sollen wir noch weiter machen? Es ist nicht leicht zu ertragen.«
    »Macht Pause«, sagte Tendyke. Die Zwillinge atmeten erleichtert auf. Sie sahen die Telepathie nicht als Segen, sondern eher als Fluch, sofern sie nicht zwischen ihnen direkt stattfand. Aber die Gedanken anderer wahrzunehmen, die tiefsten Abgründe ihrer Seelen und ihre intimsten, meist
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