Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
025 - Die toten Augen von London

025 - Die toten Augen von London

Titel: 025 - Die toten Augen von London
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
Doktor Judds Haus?« fragte sie. »Ja, Miss. Wollen Sie bitte die Stufen hinaufgehen und läuten. Der Diener wird Sie dann zum Herrn bringen.«
    Dr. Judd selbst öffnete, jovial lächelnd, die Tür und führte sie in den Prunksalon.
    »Hoffentlich macht es Ihnen nichts aus, einige Augenblicke hier zu warten, Miss Stuart?« Zum erstenmal mit diesem Namen angesprochen zu werden war sehr verwirrend für sie. »Ich nehme an, Sie haben sich noch nicht an den Namen gewöhnt. Bitte, gedulden Sie sich einige Minuten, ich muß gleich noch mal nach oben, unsere Besprechung war noch nicht ganz beendet.« Sie setzte sich in einen der großen Sessel. Zehn Minuten vergingen, zwanzig Minuten, aus den zwanzig wurden vierzig Minuten. Nichts rührte sich in dem großen Haus, niemand kam zu ihr. Die Uhr auf dem Kamin schlug klingend.
    »Zehn Uhr!« sagte sie zu sich selbst. »Ich möchte wissen, was ihn so lange aufhält.«
    Und doch empfand sie keinerlei Besorgnis, zweifelte keinen Augenblick, daß Larry im Hause war. Sie saß neben dem Kamin, in dem ein kleines Feuer angenehm flackerte, die Nacht war kühl, und sie hatte ausgiebig Gelegenheit, den kostbar ausgestatteten Salon zu bewundern, die Gemälde, Gobelins, die prachtvollen Vorhänge und die künstlerische Wandtäfelung. Nicht ein einziges Möbelstück, das nicht mit Sorgfalt und Verständnis ausgewählt war. Der geschnitzte Tisch hätte aus einem kaiserlichen Palast des Fernen Ostens stammen können.
    Bequem in einen tiefen Sessel versunken, eine illustrierte Zeitung auf den Knien, wunderte sie sich mehr und mehr, welch wichtige Dinge Larry so lange zu besprechen hatte, was für eine umwälzende Erklärung der Doktor wohl gegeben haben mochte. Wieder blickte sie auf die Uhr. Halb elf! Sie legte die Zeitung fort und begann unruhig auf und ab zu gehen. Jetzt hörte sie das Schnappen einer Türklinke, Dr. Judd trat von der Halle aus ein.
    »Hoffentlich haben Sie sich nicht zu einsam gefühlt - er kommt jetzt gleich.«
    Daß ›er‹ nur Larry sein konnte, setzte sie voraus.
    »Ich fing schon an, unruhig zu werden. - Was für ein wunderbarer Raum!«
    »Ja, er ist sehr schön«, erwiderte er unbeteiligt. »Da ist er ja!«
    Aber es war nicht Larry, der hereinkam, sondern John Dearborn - oder vielmehr David Judd. Mit einem Ausruf des Schreckens sprang sie auf. Die Maske des Blinden war gefallen, seine klaren Augen musterten sie spöttisch.
    »Wo ist Mr. Holt?« rief sie schrill.
    David lachte leise.
    »Sie wollen sicher etwas essen?« Er zog aus der Wand neben dem Kamin ein Paneel heraus, auf dem eine silberne Platte mit einem kalten Imbiß stand.
    Diana war leichenblaß geworden.
    »Wo ist Mr. Holt?« wiederholte sie.
    »Mr. Holt ist glücklich und zufrieden.« Es war der Doktor, der antwortete. »Sie werden ihn später sehen.«
    Die merkwürdigen Worte und der eigenartige Ton erschreckten sie. Sie nahm ihren Schal vom Sessel.
    »Ich kann nicht länger hierbleiben, Doktor Judd, wenn Mr. Holt nicht hier ist. Können Sie mich nach Hause bringen?«
    Ohne zu antworten zog der Doktor ein Schubfach des japanischen Tisches auf und holte einen dicken Manuskriptband heraus, den er mit strahlendem Lächeln seinem Bruder hinhielt.
    »Sie werden eine entzückende Stunde genießen, Miss Stuart«, sagte er halb zum Mädchen gewandt. »Nein, wirklich, David, es ist zu nett von dir. Ich dachte, du wärst heute abend sehr müde.«
    Diana blickte von einem zum anderen. Sie traute ihren Ohren nicht.
    »Ich glaube, Sie haben mich nicht verstanden, Doktor Judd!« betonte sie mit Nachdruck. »Ich wünsche, daß Sie mich nach meiner - nach Mr. Holts Wohnung bringen!«
    »Sie macht sich Sorgen um ihre Garderobe«, sagte der Doktor halblaut zu seinem Bruder. »Du wirst doch veranlassen, daß sie hierhergeschickt wird, David?«
    »Hierhergeschickt wird?« stammelte sie. »Was soll das heißen?«
    David Judd setzte sich in den Sessel, aus dem sie aufgesprungen war, und blätterte in seinem Manuskriptband.
    »Ich glaube, es ist besser, Sie essen erst eine Kleinigkeit. Sie müssen doch sehr hungrig sein.«
    »Ich werde in diesem Hause nichts essen«, rief sie erregt. »Ich will wissen, was hier gespielt wird - wenn Sie mir nicht sagen, was diese seltsamen Reden zu bedeuten haben, gehe ich eben allein nach Hause.«
    Der Doktor legte seine große Hand auf ihren Arm.
    »Mein liebes Fräulein, bitte stören Sie David nicht. Er wird Ihnen jetzt eines seiner wundervollen Stücke vorlesen. Wissen Sie nicht, daß David
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher