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015 - Die Heiler

015 - Die Heiler

Titel: 015 - Die Heiler
Autoren: Claudia Kern
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für die jüngeren Mädchen ab, die vielleicht auch noch nicht heiraten wollten.
    »Fertig«, sagte ihre Mutter und legte den Kamm zur Seite. Aruula stand auf.
    »Vielleicht hast du Recht und Rugad ist der richtige Mann für mich.«
    »Wir könnten ihn für heute Abend zum Essen einladen.«
    »Warum nicht?«, antwortete Aruula zögernd.
    In Gedanken scheute sie vor dem Treffen zurück. Rugad war ein netter Junge, aber eine Einladung zum Essen war fast schon ein Eheversprechen. Wenn sie ihn danach ablehnte, verlor nicht nur er sein Gesicht, sondern die ganze Familie.
    Aruula sah durch das Fenster hinaus auf das Meer. Seit dem Sturm, der vor langer Zeit ihren Vater in Udiks Reich gerissen hatte, weigerte sich Aruula, ein Boot zu betreten. Sie hatte es immer wieder versucht, aber etwas in ihr sträubte sich so stark dagegen, dass sie nie weiter als bis zum Bootsrand kam.
    Besonders an diesem Tag wünschte sie sich, über ihren eigenen Schatten springen zu können. Dann wäre sie in ein Boot gestiegen und weit weg von dieser Insel gesegelt.
    Dorthin, wo ein Mann auf sie wartete, dessen Stimme sie manchmal zu hören glaubte. Aber sie stieg nie in das Boot.
    ***
    Brüssel, 31. März 2012
    Die Stadt brannte.
    Der orangefarbene Schein der Flammen erhellte den düsteren Horizont. Das Beben der Explosionen ließ die Scheiben des Atomiums zittern.
    In Danielles Augen spiegelten sich kilometerhohe Stichflammen, die kurz in den Himmel hinauf schossen und wieder im Nichts verschwanden.
    Wie zur Antwort bohrten sich Blitze in die Trümmerlandschaft. Die Donnerschläge, die ihnen folgten, brachten halbe Straßenzüge zum Einsturz.
    »Als würde man einen Blick in die Hölle wagen«, sagte Marie leise.
    Danielle fuhr erschrocken zusammen. Sie hatte nicht bemerkt, dass die Kollegin neben sie getreten war.
    »Glaubst du, dass noch Leute in der Stadt sind?«, fragte sie.
    »Keine Ahnung. Wenigstens sind die da unten mittlerweile weg.« Sie deutete auf das Gelände rund um das Atomium. Bis vor wenigen Tagen hatten dort mehrere Motorradbanden campiert.
    Danielle nahm an, dass die Plünderer bei ihrer Flucht aus der Stadt die geparkten Krankenwagen gesehen und auf Drogen und Medikamente gehofft hatten.
    Sie hatten eine herbe Enttäuschung erlebt. Nicht nur, dass die Wagen längst ausgeräumt waren und die Kisten und Behälter in einer der Kugeln untergebracht waren. Es gelang ihnen auch nicht, in das Atomium einzudringen, denn die Ärzte hatten die Zeit genutzt.
    Unter Jons Leitung versperrten sie sämtliche Zugänge zu den Kugeln. Sackweise schleppten sie Zement von einer nahegelegenen Baustelle ins Atomium. Jon nannte das »ein Veröden gefährlicher Adern«.
    Die ersten Tage hatten sie mit nichts anderem als der Sicherung ihrer Festung zugebracht, und das hatte sich ausgezahlt. Die bis zum Boden reichenden Verstrebungen hatten sie meterhoch mit Stacheldraht von der Baustelle umwickelt, um jedes Eindringen unmöglich zu machen. Die ausgebrannten Wracks, die von den wütenden Plünderern zurückgelassen worden waren, zeugten vom Erfolg dieser Aktion.
    Das Atomium war uneinnehmbar.
    Danielle wandte der brennenden Stadt den Rücken zu. Die Kugel, in der sie und Marie standen, war vor der Katastrophe ein Restaurant gewesen, das vor allem bei Touristen beliebt war.
    Jetzt war es der Gemeinschaftsraum der kleinen Gruppe. Hier traf man sich, um Entscheidungen zu fällen und Probleme zu diskutieren. Im Moment war der Raum jedoch fast leer, denn die meisten Ärzte und Schwestern waren in einer anderen Kugel mit der Sicherung der Virenstämme beschäftigt.
    Außer den beiden Frauen saß nur noch Jon an einem Tisch und machte sich Notizen.
    Nachdenklich betrachtete Danielle ihn. Sie war dem jungen Chirurgen immer aus dem Weg gegangen, da sie wie die meisten anderen Kollegen vermutete, dass er für Valvekens spionierte. Seine überhebliche Art tat ein Weiteres, um ihn zum Außenseiter im Team der Ärzte zu machen.
    In den letzten Wochen hatte Danielle allerdings ihre Meinung über den Kollegen geändert. Sie wusste nicht, ob es daran lag, dass sie ihn besser kennen lernte, oder daran, dass ihn die Ereignisse verändert hatten.
    Obwohl viele der Kollegen älter als er waren, hatte Jon das Kommando der Gruppe schon nach wenigen Stunden an sich gerissen. Wie ein Feldherr stellte er seine Truppen zusammen und kommandierte sie herum.
    Er war es auch, der ihnen einimpfte, dass Sicherheit an erster Stelle zu stehen hatte und erst dann das Wohl der Menschen
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