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0105 - Rückkehr aus dem Geistergrab

0105 - Rückkehr aus dem Geistergrab

Titel: 0105 - Rückkehr aus dem Geistergrab
Autoren: Gerhart Hartsch
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zu befreien. Eigentlich gar nicht die Art der hübschen lebhaften jungen Dame.
    Die Schergen erlaubten es Zamorra nicht, sich nach seiner Sekretärin umzudrehen. Sie hatten ihn gestoppt, indem sie ihre Hellebarden kreuzten und ihn abfingen.
    Jetzt standen sie neben ihm und hielten ihn an den Oberarmen fest. Sie hatten kräftige große Hände, die es gewohnt waren, zuzupacken. Eigentlich war es leichtsinnig von dem, der sich unter der Maske des Henkers verbarg, seine Komplizen so offen zur Schau zu stellen. Denn natürlich prägte sich Zamorra ihr Aussehen ein. Andererseits war dieser Bursche, der für die dunklen Machenschaften der letzten Zeit in diesem Teil der Schwarzen Berge verantwortlich war, nicht auf den Kopf gefallen. Wenn es ihm nichts ausmachte, daß der Professor seine Kumpane zu Gesicht bekam, konnte das nur zweierlei bedeuten: er rechnete nicht damit, daß Zamorra jemals sein Wissen ausschlachten konnte oder er durfte sich sicher sein, daß niemand in der Gegend seine Mittäter kannte oder sie mit ihm selbst in Verbindung brachte.
    Offenbar hatte Zamorra mit der ersten Möglichkeit richtig getippt. Denn sie führten ihn ab. Seinen Widerstand brachen sie mit Gewalt.
    »Nicole, dir wird nichts geschehen!« brüllte Zamorra. »Hörst du mich?«
    Er erhielt keine Antwort.
    Wobei er nicht sicher war, daß Nicole stumm blieb, weil sie vor Angst kein Wort herausbrachte. Möglicherweise konnte sie schon nicht mehr sprechen, weil ihr Kopf…
    Verzweifelt warf Zamorra einen Blick über die Schulter. Er sah das Blutgerüst und den Scharfrichter, der sich auf sein Beil stützte und stumm herüberschaute.
    Leichter Wind war aufgekommen. Im Hintergrund, die Baumwipfel, schienen zu tanzen. Irgend etwas störte die Ruhe der Krähen, die sich in der Nähe auf einem abgestorbenen Baum niedergelassen hatten. Sie kreischten schrill und ein paar wirbelten wie Kohlebrocken durch die Luft, zirkelten vor der bleichen Scheibe des Mondes und fielen wieder ein. Eine Weile noch drang ihr Krächzen herüber, dann trat wieder Ruhe ein.
    Zamorra aber konnte Nicole Duval nur knapp erkennen. Und plötzlich löste sie sich auf, als habe es sie nie gegeben. Sie zerfloß wie ein Nebelstreif.
    Da begriff Zamorra die ganze Tücke seines Gegners und wußte, daß er auf der Hut sein mußte. Wo immer dieser Kerl in die Lehre gegangen war, er mußte einen wahren Hexenmeister gefunden haben, der ihn in alle schwarzen Künste eingeführt hatte. Er zog alle Register, um Zamorra auszuschalten. Und der Professor schwor sich, auf nichts mehr hereinzufallen…
    ***
    Unter der Falltür, an der Stirnseite des alten Gemäuers, diente ein rußgeschwärzter Eichenbalken mit vielen Kerben als Hühnerleiter.
    Wortlos stieg Nicole Duval in die Tiefe. Willenlos betrat sie die gut getarnte Höhle.
    Das Verlies war auszementiert.
    Ein Mann empfing seine Besucherin mit verschränkten Armen. Unter anderen Umständen hätte ihn Nicole Duval lieber kennengelernt. Denn er sah nicht schlecht aus. Groß und breitschultrig, mit einem bleichen Asketengesicht und vielleicht zu markigen Kinnladen, aber einer Künstlermähne und hübschen tiefblauen Augen.
    Der Typ schaute Nicole an wie eine Offenbarung. Die zwingenden Augen leuchteten im Triumph. Als habe der Unbekannte dreißig Jahre seines Lebens auf diese Stunde und dieses Mädchen gewartet.
    Der Fremde trug einen eleganten Straßenanzug, wie maßgeschneidert nach dem letzten Schrei der Mode.
    Die gewinnenden Augen saßen unter buschigen schwarzen Brauen, die unwillkürlich die Blicke jedes Betrachters anzogen. Denn sie waren zusammengewachsen.
    Als der Mann nicht mehr lächelte, wirkten seine Augen plötzlich kalt und zwingender als jenes Licht über dem Wald, das Nicole in die Einsamkeit dieser Eremitenklause geführt und gelockt hatte.
    Denn daß der Unbekannte hier hauste, hatte Nicole schon an der Einrichtung oben gemerkt.
    Was aber bedeutete der schaurige Schädel hier unten, Trophäe eines Kopfjägers, die von einer niedrigen Decke herabbaumelte? Gehalten von einer Sisalschnur. Mit Holzpflock zwischen den trockenen Lippen und vernähten Augen. Ein schrumpeliges Affengesicht, die Haut wie dunkles zerknittertes Pergament. Es waren die langen pechschwarzen Haare, die einen erschrecken ließen. Sie wirkten so echt und lebensnah.
    Ein siebenarmiger Leuchter neben dem sechsten Buch Moses, das von sieben Klammern verschlossen auf einem Schemel lag, spendete ein ungewisses Licht.
    In Stellagen an den Wänden standen
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