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01 Jesses Maria: Kulturschock

01 Jesses Maria: Kulturschock

Titel: 01 Jesses Maria: Kulturschock
Autoren: Carla Berling
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sind wirklich leckere Kerlchen. Besonders der mit den schwarzen Locken. Muss ihm mal einer sagen, dass man den kleinen Finger beim Trinken nicht so abspreizt, das wirkt unanständig. Macht man nicht.
    Der Blonde sieht auch gut aus, er hat schöne Zähne.
    Die Hübschen tragen beide einen Ehering, aber beide sind ohne Frauen hier. Scheinen dicke Freunde zu sein, so, wie die reden und tuscheln. Hoppla! Die küssen sich auf den Mund! Vielleicht waren sie mal in Russland, da küssen sich die Männer auch auf den Mund.
    „Komm, Tamara, ich helfe dir beim Abräumen.“
    Die Küche ist die unpraktischste, die ich kenne. Das Geschirr wird in den offenen Regalen fettig, und hinter den Milchglastüren kann jeder sehen, was im Schrank steht. Wie oft habe ich Tamara gesagt, dass eine klassische Holzküche viel gemütlicher wäre als dieser Designerkram.
    „Eiche brutal, Tante Maria? “ hat sie gesagt und über meinen Geschmack gelacht. „Tamara, wieso fragst du denn, wie mir Simon und Nils gefallen?
    Frisch verheiratet? Aha. Und wo sind ihre Frauen? Sie sind miteinander verheiratet? Die beiden Männer... großer Gott, das habe ich denen aber nicht angesehen.“
    Zwei Schwule. Miteinander verheiratete Schwule. Das gilt hier gar nicht, oder? Männer können sich doch nur in Holland heiraten, oder? Und in Holland sind immer alle bekifft, weiß doch jeder, sonst wären die gar nicht auf die Idee gekommen, dass Männer Männer heiraten können.
    Möchte mal wissen, woher Tamara die kennt.
    Wo lernt denn ein normaler Mensch Schwule kennen? Ich habe nichts gegen diese Leute, sie können ja nichts dafür. Wer von denen beiden die wohl Frau ist? Oder wechseln die sich ab? Wenn ich mir die im Bett vorstelle…
    Und wie ist das bei denen im Haushalt?
    Wahrscheinlich putzen sie gemeinsam. Schwule, jedenfalls die kultivierten unter ihnen, sollen sehr sauber sein. Diese machen einen gepflegten Eindruck. Sonst hätte Tamara sie auch gar nicht eingeladen.
    Aber wenn man es weiß, merkt man es schon.
    Allein das Sakko. Stahlblaue Wildseide. So was tragen richtige Männer nicht. Simon spricht ein wenig durch die Nase. Das machen die prominenten Schwulen im Fernsehen aber auch. Vielleicht ist das ein Erkennungszeichen? Irgendwie müssen die sich erkennen. Wenn ein Kerl einen Kerl gut findet, muss er irgendwieherausfinden, ob der andere auch homo ist. Das geht ja nicht, dass die Schwulen die normalen Männer einfach ansprechen.
    Interessant, darüber mal nachzudenken: Nehmen wir an, zwei Schwule treffen sich. Wohin guckt ein Mann bei einem Mann zuerst? Busen ist ja keiner da. Auf die Hose? Vorne oder hinten? Was ist für die wichtiger? Und wie geht es dann weiter? Fordert einer den anderen zum tanzen auf?
    Diese Menschen haben es nicht leicht.
    Auch wenn sie alt werden, ist es schwer. Alte Männer mit hängenden Bäuchen, Glatzen und Krampfadern an den Waden haben schon bei uns Frauen kaum Chancen. Andererseits sind die Schwulen auch im Alter noch gepflegt und achten auf Figur. Wenn man sich zum Beispiel den Bürgermeister von Berlin anguckt, das ist ein attraktiver Mann. Das ist richtig schade drum, dass der schwul ist. Der könnte Frauen haben… Ich würde den nicht von der Bettkante schubsen. Wenn er normal wäre natürlich nur. Einer, der sich mal mit Männern und mal mit Frauen amüsiert, käme mir natürlich ganz und gar nicht in die Tüte. Tüte. Hihi. Ohne die liefe gar nix.
    Gleich gehen wir bestimmt in den Wintergarten und trinken Espresso. Hoffentlich sprechen die Schwulen mich nicht an. Worüber soll man sich mit solchen Leuten unterhalten?
    Wie der eine kichert. Wenn man sie genau beobachtet, merkt man es ganz deutlich. Ein bisschen tuntig sind sie irgendwie schon. Was machen die wohl beruflich? Ich meine, Lehrer oder Beamte können sie schlecht sein.
    Ich möchte nicht wissen, was Herr Sauer aus dem Erdgeschoss machen würde, wenn sein Enkel einen schwulen Lehrer hätte.
    Der im Seidensakko arbeitet bestimmt in einer Herrenboutique. Da passt so einer gut hin, da kann er seine weibliche Ader ausleben. Ach, du liebe Zeit, Tamara schleppt die beiden tatsächlich zu mir rüber. Huh, der gibt mir die Hand, der gibt mir die Hand. Wer weiß, was der heute schon mit seiner Hand gemacht hat.
    „Angenehm, Maria Jesse. Aber nein, das Kleid ist uralt. Freut mich, dass es Ihnen gefällt. Naja, Joop macht eben schöne Sachen.“
    War mir klar, dass die Joop auch kennen. Das Kleid hab ich second hand gekauft, aber das sieht man ja
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