Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0099 - Hexennacht

0099 - Hexennacht

Titel: 0099 - Hexennacht
Autoren: Traute Maahn
Vom Netzwerk:
antwortete ihm aus dem zahnlosen Maul. Wie Dolche stießen die Knochenfinger von Radegonde auf ihn zu.
    Sie verletzten Micky an beiden Unterarmen. Er blutete stark, doch es gelang ihm, Radegonde abzuschütteln.
    Er floh blindlings.
    Er lief in die Dunkelheit, ließ die geifernden Stimmen und das Hohngelächter zurück wie einen Spuk.
    Doch seine Verletzungen an den Unterarmen waren ein Beweis, daß er diesen gespenstischen Überfall tatsächlich erlebt hatte.
    Endlich hielt er inne. Er hatte keinen trockenen Faden mehr am Leib.
    »Wölflinge?« schrie er verhalten. »Wo seid ihr? Sammeln. Sammelt euch, verstanden?« Seine Stimme war kaum wiederzuerkennen.
    Es dauerte lange, bis die verstörten Jungen, die sich hatten retten können, zueinanderfanden.
    Erschöpft zählte Micky Pool seine Schutzbefohlenen.
    Es waren nur noch neunzehn.
    Vier fehlten, dachte Micky. Wo, um alles in der Welt, sind sie?
    Da erinnerte er sich dumpf, daß er einige am Kopfsteinpflaster des Hofes liegende Gestalten gesehen hatte, ehe er die Flucht ergriffen hatte.
    Schuldbewußt hielt er den Atem an. Vielleicht hatte er sich geirrt?
    Aber der beißende Schmerz an seinen Armen erinnerte ihn an das Grauen, dem er entkommen war.
    »Dort«, keuchte er, »seht ihr die Lichter? Da liegt Kirkley. Dort marschieren wir hin.«
    Es hat keinen Sinn umzukehren, dachte er. Ich muß diese neunzehn Wölflinge zuerst in Sicherheit bringen und dann der Polizei Meldung machen.
    Die Jungen trotteten hinter ihm her. Noch war ihnen nicht bewußt, welcher Gefahr sie entronnen waren und was für ein Glück sie hatten, mit dem Leben davongekommen zu sein.
    Manche hielten es sogar für einen Alptraum, den sie erlebt hatten.
    Erst als sie die Reklamelichter einer Kneipe von Kirkley erblickten, war ihnen plötzlich klar, wie ungeheuerlich die Erlebnisse dieser Nacht waren.
    Micky stieß die Glastür auf. Die Männer und Frauen in dem Lokal blickten entgeistert hoch, als er hereintaumelte.
    »Wir sind überfallen worden«, meldete Micky. »Wir sind eine Pfadfindergruppe aus Mashwood… drüben bei der Ruine liegen noch… liegen noch vier Kameraden von uns… Gespenster haben uns überfallen.«
    Die neunzehn Jungen drängten sich hinter ihm ins Lokal, verstört, bleich und mit weit aufgerissenen Augen.
    Micky Pool schwankte so stark, daß ein Mann hinzusprang und ihn auffing.
    »Erzähl alles, Scout«, sagte er ruhig. »Es waren Gespenster, ja?«
    Micky Pool sackte dem Mann in die Arme.
    Einige Gäste umdrängten die beiden.
    »Gespenster?« fragte einer. »Daß ich nicht lache. Wieso Gespenster?«
    Der Fremde trug Micky Pool zu einem Sessel und ließ ihn dort nieder.
    Dann winkte er den neunzehn Jungen zu, die sich scheu zusammendrängten.
    »Was habt ihr erlebt?« fragte er.
    Auf einmal sahen sie ein zauberhaftes, junges Mädchen vor sich.
    Es lächelte ihnen zu. »Habt keine Angst«, sagte eine warme Stimme, »ihr sprecht mit Professor Zamorra. Er ist wegen dieser Gespenster nach Kirkley gekommen. Erzählt ihm alles, okay?«
    Ihre Aussprache klang ein wenig anders, so ein bißchen wie die von Brigitte Bardot, der Französin.
    Entgeistert sahen die Knaben sie an. Ob sie vielleicht die Bardot war? Aber sie sah anders aus. Sie hatte ein süßes, ovales Gesicht und einen schön geschwungenen Mund. In weichen Wellen lag das feine Haar um ihren Kopf. Es war ährenblond und hatte einen Stich ins Rötliche, so, als ob die Abendsonne auf ein Kornfeld fiel.
    »Ich bin Nicole Duval!« sagte die schöne Fremde. »Wie wär’s? Wollt ihr euch nicht zuerst einmal niedersetzen und einen Schluck Cola trinken? Ihr seht aus, als ob euch Dracula höchstpersönlich in den Weg gelaufen wäre.« Nicole ließ ein glockenhelles, perlendes Lachen hören, das selbst den ärgsten Griesgram zum Lächeln gebracht hätte.
    Auch bei den neunzehn Wölflingen war der Bann gebrochen. Sie scharten sich um einen großen Tisch und setzten sich. »Uff«, sagte der eine. »Ich weiß gar nicht, was passiert ist. Es war einfach eklig. Es waren so merkwürdige Leute… sie zerrten an unseren Armen und wollten uns auseinanderreißen.«
    Der zweite riß die Augen auf und deutete auf den immer noch schwer benommenen Micky Pool. Er hing auf einem Sessel und ächzte. »Micky blutet ja…«
    Oer Rover stand im Mittelpunkt des Interesses. Professor Zamorra beugte sich zu ihm hinunter.
    Er sah nicht aus wie man sich sonst einen Professor und Gelehrten vorstellte. Er war ein Mann Ende Dreißig, hatte einen muskulösen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher