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009 - Der Engel von Inveraray

009 - Der Engel von Inveraray

Titel: 009 - Der Engel von Inveraray
Autoren: Karyn Monk
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nun in Sicherheit war und sich offenbar von ihrem Martyrium erholt hatte, empfand er noch immer das Bedürfnis, ihr nahe zu sein und sich zu versichern, dass sie tatsächlich unversehrt war.
    „Wahrscheinlich hat ihnen eher das Krachen von Constable Drummonds Stock auf ihre Dickschädel die Zunge gelockert." Doreen schnaubte vor Genugtuung. „Ich hätte dasselbe mit meinem Bügeleisen getan, wäre mir die Gelegenheit dazu gegeben worden."
    „Ja, wenn ein Hund erst anfängt zu jaulen, dauert es nicht lange, bis auch die anderen zu bellen beginnen", meinte Oliver kichernd.
    „Dann heißt es: Jeder ist sich selbst der Nächste." Eunice reichte ein Tablett mit Ingwerplätzchen in der Runde umher. „Jeder zeigt mit dem Finger auf den anderen, und am Ende werden sie alle in denselben Topf geworfen wie Suppenknochen.
    Diese Schurken werden für den Mordversuch an Seiner Lordschaft zwar nicht hängen, doch ich wette, dass sie so schnell nicht wieder aus dem Kerker kommen.
    Dort haben sie dann Zeit genug, um zu bereuen, dass sie sich auf Lord Bothwells Mordkomplott eingelassen haben, ganz gleich, wie viel Geld er ihnen angeboten haben mag."
    „Der arme Lord Bothwell", murmelte Charlotte betrübt. „Gewiss, es ist schrecklich, was er getan hat", erläuterte sie, als sie Jacks ungläubigen Blick sah, „doch ich kann dennoch nicht anders, als Mitleid mit ihm zu empfinden."
    „Er muss seine Tochter entsetzlich vermisst haben", sagte Grace nachdenklich, „um Haydon so sehr zu hassen."
    Annabelle schmiegte sich enger an Haydon. Der Gedanke, jemand könne Haydon hassen, missfiel ihr zutiefst. „Wenn er sie so sehr geliebt hat, warum war er dann so grausam zu ihr?"
    „Bisweilen sind die Menschen sich über ihre eigenen Gefühle nicht im Klaren", erklärte Genevieve. Sie ahnte, dass dies kein angenehmes Thema für Haydon war, hielt es jedoch für wichtig, den Kindern begreiflich zu machen, was Vincent dazu getrieben hatte, sich so zu verhalten und sich schließlich das Leben zu nehmen.
    „Lord Bothwell schmerzte seine Liebe zu Emmaline, denn als er entdeckte, dass sie nicht wirklich seine Tochter war, fühlte er sich entsetzlich betrogen - schlimmer noch, ich vermute, er fühlte sich verlassen. Manchmal versuchen wir, uns von denen zu entfernen, die wir am meisten lieben. Nicht, weil wir sie nicht mehr lieben, sondern weil die Liebe zu ihnen beinahe unerträglich schmerzhaft ist."
    „So etwas würde ich nie tun", erklärte Simon mit kindlicher Gewissheit. „Wenn ich jemanden liebe, dann möchte ich bei ihm bleiben und dafür sorgen, dass er glücklich und in Sicherheit ist."
    „Ich auch", verkündete Jamie gähnend und kuschelte sich schläfrig an Genevieve.
    „Du nicht auch, Genevieve?"
    „Natürlich." Sie fuhr ihm zärtlich durch das zerzauste Haar und strich dann über Simons sommersprossige Wange. „Ich sage nur, dass wir nicht zu streng über Lord Bothwell urteilen dürfen. Manche Menschen brauchen sehr lange, bis sie die verschlungenen Pfade der Liebe verstehen. Lord Bothwell hat sie erst begriffen, als es bereits zu spät war."
    „Apropos spät: Ich glaube, es ist Zeit, dass ihr ins Bett geht", bemerkte Doreen streng. „Morgen ist Waschtag, und ich erwarte, dass ihr mir beim Sortieren, Waschen und Bügeln zur Hand geht, bevor ihr euch hinsetzt und die Lektionen lernt, die Miss Genevieve für euch vorgesehen hat."
    „Aber ich bin nicht müde", protestierte Annabelle, ihrer dunklen Ringe unter den Augen zum Trotz.
    Jamie gähnte und schmiegte sich noch enger an Genevieve. „Ich auch nicht", versicherte er bestimmt.
    „Ihr braucht nicht sofort zu schlafen." Jahrelange Erfahrung im Zubettbringen von müden Kindern hatte Genevieve gelehrt, dass der sicherste Weg, sie vom Schlafengehen abzuhalten, der war, darauf zu bestehen, dass sie müde seien, wenn sie das Gegenteil behaupteten. „Aber es ist Zeit für euch, nach oben zu gehen. Putzt euch die Zähne und legt euch ins Bett, und wenn ihr wollt, könnt ihr euch Geschichten erzählen, bis ihr müde seid - solange ihr daran denkt zu flüstern."
    Besänftigt durch diesen Vorschlag, erhoben sich die Kinder und scharten sich um sie, um ihr einen Gutenachtkuss zu geben. Jack lehnte abseits an der Wand, die dünnen Arme vor der Brust verschränkt, und beobachtete das Geschehen. Genevieve spürte, dass das abendliche Ritual der Kinder ihn trotz seiner zur Schau gestellten Gleichgültigkeit tief berührte. Kein Zweifel, er hielt sich für viel zu erwachsen, um sich
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