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009 - Der Engel von Inveraray

009 - Der Engel von Inveraray

Titel: 009 - Der Engel von Inveraray
Autoren: Karyn Monk
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Ergriffenheit, als er schloss: „Sie hätten sie an jenem Tag mitnehmen sollen, verflucht! Hätten Sie das getan, wäre meine wunderhübsche kleine Tochter noch am Leben."
    Haydon starrte ihn hilflos an. Er fühlte sich mit einem Male, als wäre ihm der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Er hatte Vincent zwei Jahre lang abgrundtief gehasst. Er hatte diesen Hass bereitwillig genährt, weil er ihm geholfen hatte, sich seiner eigenen Verantwortung für Emmalines trauriges Leben und ihren tragischen Tod nicht stellen zu müssen. Doch als er Vincent in diesem Augenblick betrachtete und erkannte, wie gebrochen und ruhelos er war, konnte er nicht mehr denselben Abscheu aufbringen, den er einst für ihn empfunden hatte. Es wollte ihm nicht gelingen, einen Mann zu verachten, der so unter dem Tod seines einzigen Kindes litt.
    Vincent verfolgte ihn mit seinem Hass, weil er ihn für den Urheber seines Leids hielt.
    Und er hatte Recht.
    „Es tut mir Leid, Vincent", begann er. „Ich habe sie im Stich gelassen, und ich schäme mich entsetzlich dafür. Doch Emmaline ist von uns gegangen, und es bleibt nur die Erinnerung an sie. Lassen Sie uns diese Erinnerung nicht mit noch mehr Hass, Elend und Tod besudeln. Lassen Sie uns diese Angelegenheit zu einem Ende bringen." Er trat langsam einen Schritt nach vorn und streckte die Hand aus. „Geben Sie mir Ihre Pistole, Vincent."

    Vincent sah ihn hilflos an, als säße er in der Falle.
    „Sie werden mich töten."
    „Nein", versicherte Haydon ihm feierlich. „Das werde ich nicht."
    „Aber ich habe versucht, Sie umzubringen ..."
    „Es ist Ihnen nicht gelungen."
    „Dann werden Sie mich den Behörden ausliefern, damit ich die gleichen Demütigungen erleiden muss, die Sie zu erdulden hatten ..."
    „Nein, das werde ich nicht."
    Vincent wirkte vollkommen entgeistert.
    „Es ist vorbei", sagte Haydon mit Nachdruck. „Lassen Sie Emmaline in Frieden ruhen.
    Geben Sie mir Ihre Pistole, und lassen Sie Annabelle los. Sie ist selbst noch ein Kind, Vincent. Ich weiß, dass Sie sie nicht wirklich ängstigen wollten."
    Vincent blickte überrascht auf Annabelle herab, als habe er vergessen, dass er sie noch immer festhielt. Ihre riesengroßen blauen Augen waren weit aufgerissen vor Angst. Er ließ die Pistole sinken.
    „Emmaline", murmelte er und legte die Hand zärtlich auf Annabeiles langes blondes Haar. „Verzeih mir!" Er beugte sich vor und drückte einen zarten Kuss auf ihre Stirn.
    Dann richtete er sich auf, hob die Waffe an seine Schläfe und drückte ab.

15. KAPITEL
    Der warme Schein des prasselnden Kaminfeuers huschte flackernd über das verblichene Muster des alten Wollteppichs und strich über die Ansammlung kleiner, in Pantoffeln steckender Füße.
    „... und so erkannte der Richter dank der Leiche von Lord Bothwell und der Geständnisse der drei Männer, die auch den Überfall auf Haydon zugaben, bei dem ihr Komplize getötet worden war, dass er die Anklage gegen Haydon unverzüglich fallen lassen musste", erklärte Genevieve der kleinen Schar mit Nachthemden bekleideter Kinder, die sie umringte.
    Ein Tag war seit den dramatischen Ereignissen in Devil's Den vergangen, und die Kinder waren bis in den späten Abend aufgeblieben, um zu erfahren, was sich während Genevieves und Haydons langem Besuch im Gefängnis und im Gerichtsgebäude zugetragen hatte.
    Jack lehnte an der Wand. Er wirkte angespannt, als rechne er noch immer damit, dass die Polizei jeden Augenblick ins Zimmer stürmen könnte. Es wird wohl eine ganze Weile dauern, bis der Junge nicht mehr fürchtet, Haydon oder er stünden kurz vor der Verhaftung, vermutete Genevieve.
    „Warum haben die drei gestanden?" fragte er und blickte Haydon ernst an.
    „Weil Constable Drummond ihnen begreiflich gemacht hat, dass es in ihrem eigenen Interesse ist, die Wahrheit zu sagen, nehme ich an", antwortete Haydon.
    Er saß auf dem Sofa, die Arme um Charlotte und Annabelle gelegt, und war erfüllt von dem überwältigenden Verlangen, die um ihn versammelte Familie zu beschützen. Beim Versuch, ihn zu befreien, hätte jeder von ihnen verletzt oder getötet werden können, erkannte er, noch im Nachhinein entsetzt über die Risiken, die sie eingegangen waren. Der Anblick, wie Annabelle Vincent mit einer Pistole am Kopf auf Gedeih und Verderb ausgeliefert gewesen war, hatte eine lähmende Angst in ihm ausgelöst, genau wie damals vor zwei Jahren, als Emmaline ihn scheu durch das Treppengeländer angeschaut hatte. Obwohl Annabelle
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