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0068 - Todeswalzer

0068 - Todeswalzer

Titel: 0068 - Todeswalzer
Autoren: Friedrich Tenkrat
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ihm ihre Lippen und er küßte sie leidenschaftlich.
    Beim Einsteigen war er ihr fürsorglich behilflich. Er klappte die Beifahrertür auf und lief dann um den Wagen herum.
    Er startete die Maschine und ließ den schwarzen Cortina anrollen.
    Die Fahrt dauerte nicht einmal zehn Minuten. Lucille glitt zu Tim hinüber und küßte ihn zum Abschied. Sie wünschte ihm eine gute Heimfahrt.
    »Wird es gehen – mit dem Knöchel meine ich«, sagte Tim Tylor. »Oder soll ich dich ins Haus bringen?«
    Lucille schüttelte den Kopf. »Nicht nötig. Ich schaffe das schon. Ich brauche bloß die Zähne zusammenzubeißen. Rufst du mich morgen an?«
    »Wie abgemacht.«
    »Gute Nacht, Tim.«
    »Gute Nacht, Lucille. Träum was Schönes.«
    »Ich werde von dir träumen«, sagte Lucille Donat, löste sich von ihrem Freund und stieg aus. Die Schmerzen im Knöchel waren auszuhalten. Lucille riß sich zusammen.
    Tim Tylor fuhr noch nicht weiter. Wenn er Lucille Donat spätabends nach Hause brachte, dann wartete er immer, bis sie oben in ihrer Wohnung im ersten Stock das Licht anmachte.
    Lucille sperrte das Haustor auf. Sie winkte Tim und betrat dann das Haus. Nun hinkte sie doch ein wenig. Tim konnte es nicht mehr sehen.
    Sie schimpfte im Geist über die Schuhe und faßte den Entschluß, sie nie mehr anzuziehen. Gleichzeitig wußte sie aber, daß sie diesen Entschluß spätestens in einem Monat vergessen haben würde.
    Es dauerte diesmal ein bißchen länger. Bis sie den ersten Stock erreichte. Sie schob den Yale-Schlüssel ins Schloß, drehte ihn zweimal herum und trat gleich darauf ein.
    Lucille knipste die Dielenbeleuchtung an und begab sich ins Wohnzimmer, um auch da Licht zu machen.
    Kaum hatte sie das getan, da sprang sie das nackte Grauen wie ein reißendes Tier an. Sie traute ihren Augen nicht, zweifelte an ihrem Verstand.
    Denn vor ihr stand… ein Skelett. Grausam grinste der Totenschädel sie an. Und mit hohler Stimme sagte der Knochenmann: »Ich soll dir einen letzten Gruß von Chris Rhodes bestellen!«
    ***
    Ich tippte zum sechstenmal Jane Collins’ Nummer in den Apparat. Ein Dutzendmal ließ ich es läuten. Jane hob nicht ab.
    Ich wollte mich entschuldigen. Ich hatte kein Recht, Jane Vorschriften zu machen. Sie war ein freier, unabhängiger Mensch.
    Und wenn sie sich die Haare grün färben ließ, mußte mir das auch recht sein. Ich ließ mir von ihr ja auch nicht sagen, wie lange ich das Haar tragen dürfe.
    Ich hatte eingesehen, daß ich einen Fehler gemacht hatte, daß ich über das Ziel hinausgeschossen hatte. Und ich wollte die leidige Sache noch heute aus der Welt schaffen.
    Es war mir unangenehm, wenn Jane böse auf mich war. Das erfüllte mich mit einem gewissen Unbehagen.
    Nach dem zwölften Klingelzeichen ließ ich den Hörer auf die Gabel fallen und ging in mich. War das, was ich Jane gesagt hatte, wirklich so schlimm gewesen?
    Ich nahm mir ehrlich vor, mich an die neue Haarfarbe meiner Freundin zu gewöhnen. Irgendwie würde ich das schon schaffen. Der Mensch kann sich an alles gewöhnen, wenn er es nur ernsthaft genug will.
    Ich vermutete, daß Jane ein paar Kissen auf den Apparat gelegt hatte, um das Läuten nicht zu hören.
    »Morgen«, murmelte ich. »Morgen ist auch noch ein Tag.«
    Ich nahm einen Drink und rauchte eine Zigarette.
    Dann war es Zeit für mich, zu Bett zu gehen.
    Ich entkleidete mich und begab mich ins Bad. Duschen, Zähne putzen…
    Hinterher warf ich einen kritischen Blick in den Spiegel und betrachtete meine Züge.
    Ich war zwar der jüngste Oberinspektor von Scotland Yard, aber der Kampf gegen die Sendboten der Hölle – der ständig die Neuauflage erlebte – hatte mich reif und abgeklärt gemacht. Plötzlich war mir, als würde mir aus dem Spiegel nicht mehr mein Konterfei entgegensehen.
    Ich gewann den Eindruck, ein Fremder würde mich ansehen. Ein anderer Mensch starrte mich an. Böse. Feindselig. Dieser Mann, der nicht ich war, haßte mich aus tiefster Seele.
    Was hatte das zu bedeuten?
    Ein grausamer Ausdruck funkelte mir aus den Augen meines Gegenübers entgegen. Seine Lippen wurden hart. Das Gesicht verzerrte sich zu einer furchterregenden Grimasse.
    Das war nicht ich.
    Das war nicht mehr John Sinclair.
    Das Antlitz meines Gegenübers veränderte sich nun stärker und schneller. Die Haut des Spiegelbildes wurde welk. Sie bekam unzählige Runzeln und Falten.
    Sie trocknete ein. Der Kopf mumifizierte. Mein Magen krampfte sich unwillkürlich bei diesem makabren Schauspiel zusammen. Ich
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