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0068 - Todeswalzer

0068 - Todeswalzer

Titel: 0068 - Todeswalzer
Autoren: Friedrich Tenkrat
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er. Er hatte damit gerechnet, daß Chris Rhodes die Rückgabe der Bilder nicht unwidersprochen hinnehmen würde.
    Aber daß er sich wie ein verrückter aufführen würde, darauf wäre Marshall nicht gekommen. Egal. Es war vorbei. Er konnte Rhodes vergessen. Die dürre Geschäftsbeziehung, die für beide Teile keinen Gewinn abgeworfen hatte, war damit beendet.
    Endlich. Zu diesem Schritt hätte Melvyn Marshall sich schon viel früher durchringen sollen. Er hatte ihn nur deshalb immer wieder hinausgeschoben, weil er mit Rhodes Mitleid gehabt hatte.
    Nun hatte sich herausgestellt, daß der Maler dieses Mitleid gar nicht verdient hatte.
    Marshall lenkte seinen Kastenwagen am Hyde Park vorbei. Wenig später stoppte er das Fahrzeug vor seiner Galerie. Die Fassade bestand hauptsächlich aus Glas. Sie erstreckte sich bis zum ersten Stock hinauf, denn auch dort oben gab es Schauräume.
    Die Schlüssel zur Galerie hingen an einer langen Silberkette, die an Marshalls Gürtel befestigt war.
    Er holte sie aus der Hosentasche und schloß auf. In seinem Büro im Erdgeschoß läutete das Telefon.
    Melvyn Marshall beeilte sich, an den Apparat zu kommen. Als er nach dem Hörer griff, verstummte das Läuten. Der Anrufer hatte aufgegeben.
    »Mist!« sagte Marshall.
    Er setzte sich an den klobigen Mahagonischreibtisch, zündete sich eine Zigarette an und sichtete die Post.
    Dazu war er noch nicht gekommen, weil er zuerst die leidige Sache mit Chris Rhodes hinter sich bringen wollte.
    Während der nächsten Stunde führte Melvyn Marshall mehrere Telefonate. Auf der elektrischen Kugelkopf-Schreibmaschine tippte er zwei Antwortbriefe und eine Mahnung.
    Normalerweise machte das Gail Hawks, seine Sekretärin. Doch die befand sich zur Zeit auf den Malediven und ließ sich von der Sonne rösten.
    Nachdem Marshall den zweiten Umschlag zugeklebt hatte, vernahm er plötzlich das Klirren von Glas.
    Sein Kopf ruckte sofort hoch. Niemand hatte die Galerie betreten. Marshall hätte es gesehen. Von seinem Schreibtisch aus hatte er die Eingangstür genau im Auge.
    Niemand außer ihm war also in der Galerie.
    Trotzdem war im Obergeschoß Glas zu Bruch gegangen. Vermutlich das Glas der versperrten Vitrine, in der Melvyn Marshall kleine Kostbarkeiten ausstellte.
    Der Galeriebesitzer erhob sich. Seine Brauen zogen sich zusammen. Ein eigenartiges Gefühl beschlich ihn.
    Angst? Ja, vielleicht war auch das dabei.
    Marshall nagte unschlüssig an seiner Unterlippe. Er versuchte, einen Grund zu finden, der eine Erklärung dafür war, wieso dort oben Glas kaputtgegangen war, obwohl sich niemand im Obergeschoß befinden konnte.
    Einen Luftzug konnte man dafür nicht verantwortlich machen, denn es gab dort oben kein Fenster, das man öffnen konnte. Sonst hätte die Installation einer Klimaanlage ja keinen Sinn gehabt.
    Während Marshall fieberhaft überlegte, streifte sein Blick das Telefon. Sollte er die Polizei anrufen?
    Was hätte er sagen sollen? Einbrecher? Machte er sich nicht lächerlich, wenn sich hinterher herausstellte, dass das Klirren des Glases eine ganz andere Ursache gehabt hatte?
    Es blieb ihm nichts anderes übrig.
    Er mußte nachsehen.
    Vorsichtig verließ er sein Büro. Er gelangte zur Treppe, die nach oben führte. Sie war mit einem roten Sisalläufer ausgelegt, der mit blitzenden Messingstangen befestigt war.
    Marshalls Blick war nach oben gerichtet, als er die Hand auf das Geländer legte und den Fuß auf die erste Stufe setzte.
    Drei Stufen legte er mit gemischten Gefühlen zurück. Dann blieb er stehen, um zu lauschen.
    Nichts. Kein verräterisches Geräusch. Allmählich glaubte Melvyn Marshall, er könnte sich das Glasklirren eingebildet haben.
    »Hallo!« rief er. Seine Stimme war belegt. »Ist da jemand?«
    Keine Antwort.
    Zögernd legte Marshall drei weitere Stufen zurück. Langsam verließ ihn der Mut. Eine innere Stimme sagte ihm, es wäre klüger, umzukehren.
    Er glaubte, Gefahr zu spüren. In Büchern wird sehr oft von einem sechsten Sinn gesprochen. Gab es ihn wirklich? Warnte er ihn jetzt vor der unbekannten Gefahr?
    Die Stille im Obergeschoß war ihm geradezu unheimlich.
    Er gab sich einen Ruck. Jetzt wollte er es wissen. Mit finsterer Miene legte er die restlichen Stufen zurück.
    Oben angelangt, sah er zuerst das Glas der Vitrine. Jemand hatte es kaputtgeschlagen. Aber wer?
    Niemand war hier. Jedenfalls konnte Melvyn Marshall niemanden sehen.
    Es gab sechs weiß tapezierte Pfeiler in der Mitte des Ausstellungsraumes. Gemälde,
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