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Zwischen Liebe und Begierde: Im Königreich der Oyesen (German Edition)

Zwischen Liebe und Begierde: Im Königreich der Oyesen (German Edition)

Titel: Zwischen Liebe und Begierde: Im Königreich der Oyesen (German Edition)
Autoren: Cassia K. McKenzie
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entkommen zu sein. Dankbar dafür, noch am Leben zu sein. Sie fühlte sich erleichtert und schuldbewusst zugleich, weil sie Nesean keine Antwort auf seine Frage gegeben hatte.

    Zwei Tage später stand Jasurea wieder mit einem Wasserbeutel auf dem Rücken und einem Beutel voller Nahrungsmittel in den Händen vor dem Alten, der die Besuche im königlichen Kerker schriftlich festhielt. Als er sie sah, nickte er nur, zum Zeichen, dass sie passieren solle.
    Jasurea beobachtete, wie er in seinem Buch etwas notierte. Wortlos ging sie an ihm vorbei. Ebenso stumm stieg sie in die Tiefen des Kerkers hinunter. Die Wache im vierten Stock unter Erde erkannte Jasurea wieder und brachte sie schweigend zu Neseans Zelle.
    Als ihr diesmal die schwere Stahltür geöffnet wurde, betrat Jasurea Neseans Zelle ohne zu zögern. Sofort wurde sie von vollkommener Dunkelheit umarmt. Wieder fiel die Tür mit einem Knall hinter ihr ins Schloss, wieder zuckte Jasurea zusammen.
    „Wer ist da?“, hörte sie Nesean fragen.
    „Ich bin´s“, antwortete sie leise.
    „Licht der Dunkelheit“, sagte Nesean sanft.
    Jasurea stellte ihre beiden Beutel auf den Boden, zog dann Kerzen und Streichhölzer aus ihrer Handtasche. Sie zündete eine Kerze an. Im flackernden Kerzenschein zeigte sich ihr eine tanzende Silhouette. Jasurea näherte sich Nesean, führte die Kerze dicht an sein Gesicht. Sie starrte ihn an. Die blonden Locken, die blauen Augen, seinen Körper, der nun nicht mehr halbnackt war, sondern in einem abgewetzten Hemd und einer viel zu weiten Hose steckte. Seine bloßen Füße, die von der Erde schwarz gefärbt waren.
    „Das Mädchen“, rief Nesean ungläubig aus, als er Jasureas Gesicht im Kerzenschein wiedererkannte. „Das Mädchen vom Umzug!“
    Langsam hob Jasurea den Kopf. Ihre Augen weiteten sich vor Erstaunen. Hatte er sie tatsächlich wiedererkannt?
    „Du… du erkennst mich wieder?“
    „Dich wiedererkennen? Die Erinnerung an dich ist das Einzige, was mich hier drinnen warm hält. Immerzu denke ich an das Mädchen vom Umzug. Seidenschwarzes Haar, kohleschwarzen Augen, ein Teint wie aus Porzellan. Wie hätte ich dich nicht wiederkennen können?“
    Er lächelte warm, doch sein Lächeln erlosch gleich wieder. „Was machst du hier unten bei mir, Schöne? Weißt du, was geschieht, wenn man herausfindet, dass du nicht meine Verlobte bist?“
    Jasurea antwortete nicht.
    „Warum tust du das?“, fragte Nesean leise. „Warum setzt du dein Leben für mich aufs Spiel?“
    Wieder schwieg sie. Sie schob ihm die Wasser- und Nahrungsbeutel entgegen und nahm die beiden inzwischen leeren Beutel, die sie Nesean bei ihrem ersten Besuch mitgebracht hatte, wieder an sich. Zu Hause durften nicht zu viele Beutel fehlen, sonst würde Anaisa misstrauisch.
    „Warum hat dein Vater dem Handel nicht zugestimmt?“
    „Was?“
    „Warum…“, setzte Jasurea erneut an.
    „Ich habe schon verstanden. Deine Frage überrascht mich nur, das ist alles.“
    „Warum hat er nicht in einen Tausch eingewilligt? Dein Leben im Gegenzug für das Gebiet am Ru-Fluss?“
    Nesean zuckte die Schultern. „Das Gebiet geht vor.“
    „Es geht deinem Leben vor?“, rief Jasurea ungläubig aus.
    Abermals zuckte Nesean die Schultern. „Wie du weißt, ist mein Volk nicht so modern wie deines. Der größte Teil unserer Leute lebt vom Ackerbau. Land ist extrem wichtig für uns.“
    „Wichtiger als dein Leben“, murmelte Jasurea.
    „Bring mir bei deinem nächsten Besuch Papier und Stift.“
    „Was?“, rief Jasurea aus. Sie musterte Nesean fragend.
    „Ich schreibe meinem Vater ein paar Zeilen. Dass du mir geholfen hast. Wenn du in meinem Land bist, überreichst du den Brief meinem Vater. Die Mikuken werden dich dann aufnehmen.“
    „Was redest du da?“, fragte Jasurea verständnislos.
    „Du wirst fliehen müssen, um dein Leben zu schützen.“
    „Fliehen? Ich? Und was… was geschieht dann mit dir?“
    „Mit mir?“ Nesean verzog den Mund. „Was früher oder später hier unten sowieso mit mir passiert: Ich werde sterben.“
    „Nein!“, flüsterte Jasurea.
    Entsetzt starrte sie ihn an. Er erwiderte ihren Blick, ein leises, trauriges Lächeln um die Lippen. „Ich hätte eine Frau nehmen und König werden sollen. Dann wäre ich nie in diesen Kampf gezogen. Noch gestern habe ich mich für meine eigene Dummheit gescholten. Warum war ich so wählerisch? Warum war mir keine Frau gut genug?“ Der Prinz streckte eine Hand nach Jasurea aus, fuhr ihr mit den Fingerspitzen
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