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Zurück in die Zwischenwelt (German Edition)

Zurück in die Zwischenwelt (German Edition)

Titel: Zurück in die Zwischenwelt (German Edition)
Autoren: Filomena Nina Ribi
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vollzieht sich bei den Alpensalamander-Larven im Körper der Mutter.“
    Die drei Tiere schlängelten sich vom Stein weg und jedes verschwand in einer anderen Richtung im Grünen. Plötzlich bemerkte ich etwas graues, schlauchförmiges, das aus einem Gebüsch herauslugte. Als ich es anstarrte, zog es sich rasch zurück.
    „Da ist noch jemand!“, flüsterte ich.
    Augenblicklich trappelte das Wesen zum nächsten Gebüsch hinüber. Ich konnte es nicht erkennen, sah nur einen Rücken hinter dem Gestrüpp weghoppeln. Das winzige Auge des grauen Wesens tauchte wenig später zwischen zwei Farnwedeln wieder auf – wir hatten Augenkontakt aufgenommen. Wir fixierten uns, bis ich blinzeln musste und dann blinzelte es auch. Ich ging vorsichtig zu ihm hinüber und bemerkte dabei, wie sich das Wesen langsam zurückzog. Dann schob ich behutsam den Farnwedel zur Seite und da stand er: ein kleiner Elefant, der gerade so groß war wie ich.
    „Was machst du denn hier?“, platze es aus mir heraus.
    Er blinzelte.
    Ich bemerkte einen weiteren Artgenossen, der versuchte, sich hinter einem mächtigen Schopfbaum zu verstecken, was ihm aber nicht gelang.
    „Da ist noch einer!“
    „Er ist auch jung“, meinte Rob.
    „Oder er gehört zu einer Rasse, die viel kleiner ist als die uns bekannten. Ein Zwergelefant vielleicht – hat es früher auf Sizilien gegeben“, erklärte ich. „Es soll solche auch im tropischen Regenwald in Zentralafrika noch geben.“ Ich schaute ihn an: „So süß: diese einzelnen aufrecht stehenden Haare auf dem Kopf!“ Ich streichelte ihm über die Stirn. „Die fühlen sich aber wie Borsten an.“
    Der kleinwüchsige Dickhäuter war mir offenbar freundlich gesinnt: Mit seinem Rüssel tastete er meine Hand und meinen Arm ab, um mich ebenfalls kennenzulernen.
    „Mona, wieso ist dieser Elefant hier?“, fragte ich. „Das macht doch keinen Sinn: ein Salamander aus den Alpen und ein Elefant aus Afrika!“
    „Elefanten gibt es auch in Asien“, gab sie zu bedenken.
    „Ja, schon – aber wieso alle zusammen hier auf diesem Tafelberg?“
    Rob intervenierte: „Vielleicht so etwas ähnliches wie der Superkontinent Pangaea früher?“
    Dann sagte Mona: „Ich muss zugeben, dass ich nicht alles weiß. Die Zwischenwelt bleibt auch für mich ein Mysterium. Vielleicht sind auch die Tiere hier auf der Durchreise – oder sie leben hier, ich weiß es nicht. Man lernt immer Neues dazu.“
    „Mmmm …“ Ich war ein wenig enttäuscht, dass Mona keine gültige Erklärung für mich bereit hatte.
    Mona fuhr fort: „Ich habe hier in der Zwischenwelt einer jungen Frau namens Fiona einmal gesagt, es sei nicht alles ihre Schuld, denn nachdem ihr Vater gestorben war, hatten sie Schuldgefühle geplagt. Aber im Nachhinein habe ich festgestellt, dass mein Ratschlag eigentlich falsch war: Schuldgefühle sind eben da, wenn sie da sind – man kann sie nicht wegerklären oder wegzaubern. Das sind Emotionen, die vorhanden sind und es hilft nicht, den Verstand einzusetzen, um sie zu bekämpfen. Was ich ihr hätte eigentlich raten sollen, wäre gewesen, dass sie ihre Gefühle nicht leugnen, sondern akzeptieren sollte – gleichzeitig aber auch etwas unternehmen, um sie zu lindern; zum Beispiel sich um eine andere ältere Person kümmern und ihr helfen. Aber Fiona war eine kluge Frau. Ich bin sicher, sie hat ihren Weg inzwischen gefunden.“

Ernte
    D er wolkenlose Himmel leuchtete azurblau, die Sonne hing bereits tief und ein Nordföhn wehte durch die Alpentäler. Der Sommer neigte sich seinem Ende zu, aber trotzdem zeigte das Thermometer noch 25 Grad. Es war September, die schönste Jahreszeit im Tessin. Der Edelkastanienwald rauschte, unzählige Blätter knisterten bei jedem Tritt – sofern man überhaupt Laub erwischte, denn der Waldboden war mit Kastanienigeln übersät, wo das Auge hinreichte. Es war ein fruchtreiches Jahr gewesen.
    Im Wald raschelte es. Ein blonder Teenager mit zerzauster Kurzhaarfrisur sprang umher, scheinbar ohne ein bestimmtes Ziel. Das Mädchen raste von einer zur anderen Seite des Hanges, wühlte die Blätter auf und stieg letztendlich auf einen spitzen Stein, wo es mit weit ausgestreckten Armen versuchte, auf einem Bein das Gleichgewicht zu halten.
    Eine reife Frau versuchte, es einzuholen: „Bleib doch mal in der Nähe! Ich mag es nicht, wenn du dich entfernst, hier gibt es überall Schluchten!“
    „Ja“, antwortete das Mädchen und entfernte sich unbekümmert weiter.
    Die Mutter verzog ihr Gesicht. Sie
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