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Zu einem Mord gehoeren zwei

Titel: Zu einem Mord gehoeren zwei
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Mannhardts Hände krampften sich um das Steuerrad, so als suchte er Halt, wie ein Kind bei einer Fahrt mit der Geisterbahn. Er war müde und überdreht zugleich; jede Kleinigkeit regte ihn auf. Die Lichter des Gegenverkehrs entzündeten in seinem fiebernden Hirn explodierende Bilder in überschwappenden Farben. Ich sollte mal ausspannen, dachte er. Schlafen. Lesen. Irrungen Wirrungen… Er war noch nicht weitergekommen in dem Buch; seine eigenen Irrungen und Wirrungen hatten ihn nicht zur Ruhe kommen lassen.
    Sie passierten die Trabrennbahn Mariendorf.
    «Hier war ich am Sonntag», sagte Koch. «Zwanzig Mark verloren – ja; aber wenigstens hab ich Glück in der Liebe… Interessierst du dich für Pferderennen?»
    «Nee.»
    «Schade, daß es in Berlin nur Trabrennen gibt.»
    «Ja.»
    Koch war durch Wortkargheit nicht zu entmutigen. «Es ist schon immer ein Heidenspaß, die Programme zu lesen. Namen haben die Pferde – ich kann dir sagen! Eine Wildtaube gibt’s da, Evas Tochter, Butterblume, Kleeblume, Lindenwirt… und ein Pferd haben sie Urne genannt – Urne! Sehr geschmackvoll!»
    «Da ist der Birnhornweg, das helle Haus da drüben muß es sein… He, halt an!»
    «Ja, ja!» Mannhardt bremste und ließ den Wagen an die Bordsteinkante rollen. Der rechte Vorderreifen schrammte gegen den Begrenzungsstein.
    Sie stiegen aus und gingen zu einem zweistöckigen Neubau hinüber.
    «Ein schöner Abend heute abend», sagte Koch. «Für jedes Liebespaar, das heute bumst, ‘ne Mark – und ich könnte einen Monat unbezahlten Urlaub nehmen. Auf Tahiti.»
    Obwohl es schon auf 23 Uhr ging, war die Temperatur noch immer nicht auf die erträglichen 18 Grad abgesunken, und sie schwitzten gehörig. Mannhardt dachte an Lilo, die zu Hause auf der Terrasse saß und auf ihn wartete. Kein schönes Leben für sie. Ob sie merken würde, daß er ein schlechtes Gewissen hatte?
    In der linken Parterrewohnung stand die Balkontür offen, Musik und Stimmengewirr drang zu ihnen herüber. Sie blieben stehen, um sich kurz zu orientieren.
    «Bei Eilers ist ganz schön was los», sagte Koch. «Naja, man wird nur einmal dreißig.»
    Sie stellten sich auf ein paar herumliegende Steinplatten und sahen ins Zimmer hinein. Bunt gemischt saßen etwa zehn Personen an einem länglichen Tisch. Gläser standen herum, Weinflaschen, Schalen mit Salzstangen, Erdnüssen und Kartoffelchips. Die Männer hatten die Ärmel hochgekrempelt und die Hemden aufgeknöpft, die Krawatten hingen lässig herab. Die Damen, meist noch jung und derart attraktiv, daß Koch ziemlich unruhig wurde, rissen sich um einen batteriegetriebenen Ventilator. Ein alerter junger Mann, höchstwahrscheinlich Eilers selber, fotografierte ununterbrochen mit Hilfe eines elektronischen Blitzlichtgeräts. Dann erhob sich eine ältere Dame, möglicherweise seine Mutter, und begann etwas von einem gefalteten Blatt abzulesen, vermutlich ein Gedicht.
    «Mensch!» rief Koch plötzlich. «Siehst du Feuerhahn? Ich nicht!»
    Mannhardt reckte sich. «Ich auch nicht…»
    «Der kann doch unmöglich was gerochen haben…»
    «Nein, kaum.»
    Jetzt stießen sie auf Eilers an und sangen im Chor: Hoch soll er leben, hoch soll er leben, dreimal hoch. Hoch! Hoch! Hoch!
    Auf einmal war Feuerhahn an Eilers Seite und half, das Geburtstagskind im Rhythmus der Hochrufe in die Höhe zu stemmen.
    «Der wird nur mal pinkeln gewesen sein», sagte Koch.
    Es wurde immer gemütlicher, nachdem alle wie auf Befehl ihre Cognacschwenker geleert hatten. Eilers machte mehrmals den Versuch, den Tisch an die Wand zu rücken, um Platz zum Tanzen zu schaffen, aber Feuerhahn hatte inzwischen eine Stimmungsplatte aufgelegt, und man hakte sich ein und schunkelte. Es war einmal ein treuer Husar, der liebt sein Mädel ein ganz es Jahr – ein ganzes Jahr und noch viel mehr, wo nahm der Kerl die Kraft nur her… Sie hörten deutlich Feuerhahns Stimme heraus. Er war es auch, der dem Lied die sexbezogene Wendung gab. Gelächter. Kreischen.
    Mannhardt starrte auf das bunte Bild, das sich ihm wie auf der Bühne eines kleinen Residenztheaters darbot. Fröhliche, ausgelassene Menschen; eine friedliche Szene, Spießbürgers Bacchanal. Und in diese Wohnung, in diese kleine Welt des kleinen Glücks sollte er nun eindringen und den Leuten dort schlagartig Angst und Beklemmung bringen. Wenn sie Feuerhahn mitgenommen hatten, würden alle herumsitzen wie kurz vor einer Beerdigung. Das zu tun, erschien ihm so grausam, wie mit einer Schrotflinte auf eine
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