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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht
Autoren: Stephan Ludwig
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das Ingwer?«
    »Koriander.« Sie lächelte. »Tu nicht so, als ob du Ahnung hättest.«
    Als Antwort hielt ihr Zorn seinen Teller entgegen, sie tat ihm Salat auf.
    »Ich muss nächste Woche nach Zagreb. Magst du mitkommen?«
    Sie arbeitete jetzt für ein kroatisches Reisebüro, organisierte Tauchtouren in der Adria. Angefangen hatte sie als Dolmetscherin, mittlerweile war sie zur Büroleiterin aufgestiegen. Zorn wusste nicht genau, was sie da tat. Aber sie mochte ihre Arbeit, das hatte sie ihm gesagt.
    »Ich würde gern«, erklärte er. »Aber ich glaube nicht, dass ich hier weg kann.«
    »Wegen des Toten, den ihr im Fluss gefunden habt?«
    Er nickte kauend. Sie fragte ihn nie, was er den ganzen Tag über machte. Wenn er etwas erzählen wollte, tat er es. Wenn nicht, ließ sie ihn in Ruhe. Sie schien zu spüren, ob er über seine Arbeit reden wollte. Auch jetzt, denn sie wechselte das Thema.
    »Möchtest du noch Fleisch?«
    »Nee«, er schob seinen Stuhl zurück und strich mit der Hand über den Bauch. »Noch ein Bissen, und ich platze. Ich hab eh schon zugenommen.«
    Malina sah ihn über den Rand ihres Rotweinglases an.
    »Stimmt, Claudius.«
    Das hatte Zorn tatsächlich. Ein, zwei Kilo vielleicht. Schlimm fand er das nicht, wenn er ein Hemd trug, wirkte er noch immer schlank und drahtig. Trotzdem richtete er sich empört auf.
    »Malina, ich habe das nicht gesagt, weil ich mich dick fühle.«
    »Warum dann?«
    »Das sind Floskeln, man spricht sie aus, weil man das Gegenteil hören will«, erwiderte er gedehnt. »Weil man ein Kompliment erwartet.«
    »Frauen tun so etwas.«
    »Nun, Männer offensichtlich auch. Jedenfalls ab einem gewissen Alter. Und ich denke, eine kleine Aufmunterung würde mir jetzt gut tun.«
    Malina sah schweigend auf ihren Teller. Er konnte ihr Gesicht nicht erkennen, es war hinter ihrem dichten Haar verborgen. Trotzdem wusste er, dass sie in sich hineinlächelte.
    Er legte die Hand ans Ohr. »Ich höre?«
    Sie warf den Kopf zurück, das Haar flog ihr aus der Stirn.
    »Spätestens in zwei Jahren«, sagte sie, »wirst du ein dicker, alter Mann sein. Du wirst ein kleines Bäuchlein haben. Und vielleicht auch ein Doppelkinn. Aber weißt du was?« Die Spitze ihres Zeigefingers fuhr sacht über seinen Unterarm. »Du wirst toll aussehen.«
    Er tat, als müsse er nachdenken.
    »War das jetzt ein Kompliment?«
    »Nein. Eine Liebeserklärung.«
    Zorn wusste noch immer nicht, welche Farbe ihre Augen hatten. Jetzt schienen sie grau zu sein, mit einem hellblauen Schimmer an den Rändern. Vielleicht, überlegte er, lag es daran, dass sie ein wenig zu schielen schien. Unmerklich nur, aber das konnte der Grund sein, warum er sich nicht auf eine bestimmte Farbe festlegen konnte.
    »Angenommen, ich wäre klein und dick, wie Schröder. Würdest du mich dann auch …«
    »Ich mag Schröder«, unterbrach sie ihn.
    »Ich auch.« Er unterdrückte ein Rülpsen. »Das muss ich, schließlich erledigt er fast die gesamte Arbeit für mich.«
    Zorn hatte gehofft, dass Malina auflachen würde, wenigstens kurz, doch sie wurde ernst.
    »Bisher habe ich Schröder nur zwei- oder dreimal getroffen. Ich weiß nicht mehr über ihn als das, was du mir erzählst.«
    Und das ist wenig genug, fügte Zorn in Gedanken hinzu.
    »Du musst aufpassen, Claudius.«
    Er wusste, was jetzt folgen würde, doch er stellte sich dumm.
    »Wie meinst du das?«
    Sie hielt ihr Glas gegen die Kerze, schwenkte es im Licht, während sie nach den richtigen Worten suchte.
    »Er ist was Besonderes. Du kommandierst ihn herum, er lässt sich alles gefallen, rennt für dich durch die Gegend wie dein Dienstbote. Das stimmt doch, oder?«
    Zorn nickte. Widerwillig.
    »Schröder hält mir den Rücken frei.«
    »Warum sollte er das tun?«
    »Weil er mich mag?« Er zuckte die Achseln. »Weil er weiß, dass ich ihn mag?«
    »Du darfst ihn nicht ausnutzen«, sagte sie vorsichtig. »Ich glaube, er ist ein sehr, sehr einsamer Mensch. Er verströmt so eine Aura, ich kann es nicht erklären.«
    »Ich weiß, was du meinst.«
    Das stimmte wirklich.
    »Du musst vorsichtig sein, Claudius.«
    »Das sagtest du bereits.« Zorns Stimme hob sich. Er hasste es, wenn er sich verteidigen musste. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, sofort wurde er ruhig. »Ich hab ihm gesagt, dass ich für ihn da bin.«
    »Wann?«
    Zorn überlegte. Vor einem Jahr?
    »Ein paarmal«, log er. »Und ich hab ihn eingeladen, hab ihm gesagt, dass er uns besuchen kann, wann er will. Er hat gesagt, dass er
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