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Zerteufelter Vers (German Edition)

Zerteufelter Vers (German Edition)

Titel: Zerteufelter Vers (German Edition)
Autoren: Daria Verner
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um darüber zu grübeln, was er getan hatte… Dass er es nicht wert war! Doch Kirt ließen die Zeilen nicht los. Alles drehte sich im Kreis. Als wäre dieses Buch zum Mittelpunkt allen Seins geworden, bannte es seinen Blick.
    Was hatte Tarido gemeint, als er sagte, dass er Maribells Rat besser gebrauchen konnte?! ‹Reue, Treue, Niederkehr…› Verdammt, was wollte Maribell ihm damit sagen?! Kirt starrte schmerzverzerrt auf seine dick geschwollene Hand. Niederkehr… Das Wort gab es in der menschlichen Welt gar nicht. ‹Reue, Treue, Niederkehr…› Kirts Gedanken drehten sich im Kreis. Niederkehr, Wiederkehr, Niederkunft, abgestumpft! Verdammt…! Kirt hätte am liebsten erneut mit der Faust gegen etwas geschlagen, doch war diese Hand zu nichts mehr zu gebrauchen.
    ‹Reue, Treue, Niederkehr, Dein Geheimnis schützt nicht mehr!› Kirt schäumte regelrecht vor Wut. Was war es denn bitteschön noch – sein Geheimnis? Dass er sich nicht mehr aus seiner menschlichen Gestalt winden konnte? Dass er die Grenzen des Seins nicht mehr zu überschreiten vermochte? Er war kein Engel, er war kein Teufel, er hatte und war nichts! Wohl kannte er noch die Gesetze aller Grenzen – Leben und Tod, Geist und Moral. Und immerhin war er mehr als die Menschen – mehr als die Wesen anderer Welten. Aber jetzt? – Ein Nichts: Verletzlich und austauschbar wie jeder andere Mensch auch, der an Handschellen abgeführt seine Endstation im Knast fand.
    Es war die Angst um Gloria, die ihn zermarterte – die ihn nicht ruhen ließ. Was war aus ihm geworden? – Dem Kirt, der sich arrogant über jene Menschen gestellt hatte, die an ihren Lebensträumen zerbrochen waren… Und niemals hätte er in Betracht gezogen, dass ihn ein kleiner Mensch zu so großem Abgrund tragen würde. Aber es war auch der Weg zu Gloria, zum Glücklichsein und er konnte und wollte es nicht bereuen. Es zollte ihm Respekt! – Respekt vor all den Menschen, die er belächelt hatte. Respekt vor dem Leben. Doch die Angst, Gloria zu verlieren, sie lähmte Kirt… Und dieses Gefühl erschien noch mächtiger als der schiere Respekt vor dem Dasein.
    ‹Erde, Wasser, Luft und Feuer, Schmach gebunden, Ungetreuer. Reue, Treue, Niederkehr, Dein Geheimnis schützt nicht mehr!› Mit dunklem Blick starrte Kirt auf die Zeilen, als ihn eine Woge unfassbarer Wahrheit durchfuhr… Ein fanatisches Leuchten spiegelte sich in seinen Augen; jenseits allen Irrglaubens, aller Realität. ‹Sollst du doch zerbrechen…!› Das hatte Tarido ihm an den Kopf geworfen. War dies in Wahrheit ein verdeckter Code? Kirt sah von den Buchseiten auf, während sich seine Gedanken regelrecht überschlugen. Er war zu jenen zerbrechlichen Menschen geworden, die nicht fähig schienen, dem Schicksal widersprechen zu können… Doch sein Wissen um all das hatte Kirt behalten. Sein Anderssein war nicht mehr und nicht weniger, als das, wofür er sich selbst entschieden hatte. Wofür würde er sich jetzt entscheiden, wenn er nur könnte…?
    Kirts Augen jagten über das Papier und spiegelten Abermillionen Gedanken wider. Was wäre, wenn er seine Macht, die ihm einst oblag, nie verloren hatte? Es wäre seine erste und letzte Chance, genau das auf den Prüfstein zu stellen! ‹Reue, Treue, Niederkehr, Dein Geheimnis schützt nicht mehr!› War das seine Chance? – Ein Code? Tarido hatte ihn bis aufs Blut gereizt. Kirt stierte auf das Buch. Wenn er seine einstige Macht ein allerletztes Mal einzusetzen fähig sein sollte – er würde es tun!
    Gloria lief querfeldein durch die graunassen Straßen dieser Stadt; Willkür bei der Wahl ihrer Richtung. Die Minuten krochen nur so dahin. Als klebte der Sekundenzeiger an der Zeitscheibe fest, lahmte er das Ziffernblatt entlang. Es war kalt und die Müdigkeit kroch zäh durch sie hindurch. Der angebrochene Vormittag verging und Gloria irrte durch Straßen, die sie nicht kannte. Mit der U-Bahn fuhr sie in die Innenstadt und bahnte sich ihren Weg zum Weihnachtsmarkt. Weihnachten – ein Fest, das Gloria nicht mehr erleben würde. Wie fremdgesteuert lief sie an den Buden vorbei. Obwohl der Stundenzeiger auf die Zwölf zeigte, war der Himmel trist und dunkel.
    Gloria dachte an die vielen Namen, die damals in dem Buch aufgelistet waren; prophezeite und vollendete Wahrheiten… Als sie noch auf naive Weise versucht hatte, andere vor ihrem Schicksal zu bewahren. Es schien sinnlos. Sie hätte die Toten lediglich um ihre wahre Todesursache gebracht. Es war ihr nie zuteil geworden: Die
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