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. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

Titel: . . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen
Autoren: Colin Dexter
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der letzten Tage zu informieren.
    Die Polizei von Caernarvon war der Ansicht gewesen (nicht ganz zu unrecht, wie Morse zugab), daß die Beweise gegen Valerie Taylor zu einer Festnahme nicht ausreichten – selbst wenn sie vielleicht sogar bereit waren, Morse’ heftiger Beteuerung, bei Mrs. Acum handele es sich in Wirklichkeit um Valerie Taylor, Glauben zu schenken. Und als Morse selbst am Mittwoch morgen eintraf, war es zu spät gewesen. Der Fahrer des 9.50-Uhr-Busses von Bont-Newydd nach Bangor konnte sich deutlich an sie erinnern, und einem Tankwart war sie aufgefallen (so eine wie die vergißt man nicht so schnell, Officer!), wie sie den Daumen nach obenan der A 5 gestanden hatte.
    Lewis hatte aufmerksam zugehört, aber ein oder zwei Dinge waren ihm immer noch unklar.
    »Also hat doch Baines den Brief geschrieben?«
    »Ja. Valerie hatte gar keine Veranlassung dazu.«
    »Wer weiß, Sir. Ich glaube, sie ist ganz schön gewitzt.«
    Im Gegensatz zu mir, dachte Morse. Ich bin ein ausgewachsener Schwachkopf. Das Auto, das Französisch und die Pickel – eine Kombination von Umständen und vermeintlichen Unwahrscheinlichkeiten, an der er gescheitert war. Dabei hätte er es durchschauen können. Schließlich wäre es schon geradezu auffallend gewesen, wenn ein so technisch interessiertes Mädchen wie Valerie nicht den Führerschein gehabt hätte; und ihr gesprochenes Französisch war selbst in der Schule schon ganz leidlich gewesen. Und er hatte die Zeugnisse die ganze Zeit über hier liegen gehabt! Wenn er doch bloß …
    »Das war schon ein unwahrscheinlicher Zufall, daß sie beide picklig waren, nicht wahr, Sir?«
    »Nein, genaugenommen eigentlich gar nicht, Lewis. Beide schliefen mit Acum – und der hat einen Bart.«
    Dieser Zusammenhang war Lewis verborgen geblieben. Er sagte nichts weiter dazu, sondern fragte statt dessen: »Und jetzt ist sie vermutlich in London, Sir?«
    Morse lächelte bitter. »Ja. Kann schon sein. Und wir stehen wieder genau an demselben Punkt, von dem aus wir angefangen haben.«
    »Glauben Sie, daß wir sie finden?«
    »Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich ja – aber wer weiß, wann.«
     
    Am Samstagnachmittag fuhr Familie Phillipson mit dem Auto zu dem berühmten prähistorischen Weißen Pferd nach Uffington. Andrew und Alison machte der Ausflug großen Spaß, und Mrs. Phillipson sah ihnen lächelnd zu, wie sie ausgelassen über die grünen Hügel tollten. In den letzten Tagen war so viel geschehen mit ihr und Donald. Am Dienstagabend hatte ihrer beider Schicksal auf Messers Schneide gestanden. Aber jetzt, an diesem sonnigen, kühlen Herbstnachmittag lag die Zukunft vor ihnen offen und frei da wie die weite Landschaft um sie her. Sie hatte sich vorgenommen, einen langen, langen Brief an Morse zu schreiben; wollte versuchen, ihm aus tiefstem Herzen zu danken. Denn an jenem schrecklichen Abend war Morse es gewesen, der Donald gefunden und zu ihr heimgebracht hatte; er schien alles über sie beide zu wissen und es zu verstehen …
     
    Am Samstagabend starrte Mrs. Grace Taylor mit leerem Blick aus dem Fenster auf die dunkle Straße. Am Nachmittag waren sie aus ihren Ferien zurückgekommen; und hier schien noch alles genauso zu sein wie bei ihrer Abfahrt. Um Viertel nach acht sah sie im Licht der Straßenlaterne, wie Morse langsam, den Kopf gesenkt, in Richtung Pub ging. Sie verschwendete keinen zweiten Gedanken an ihn.
    Vorhin, als es noch hell war, hatte sie im Vorgarten die letzten verblühten Rosen abgeschnitten. Eine einzige hatte noch in ihrer vollen scharlachroten Schönheit geprangt. Die hatte sie auch abgeschnitten. Jetzt stand sie auf dem Kaminsims in einer billigen Glasvase, die Valerie einmal bei der St.-Giles-Kirmes an einem Schießstand gewonnen hatte. Darüber an der Wand schwangen sich mehrere Enten in einer Diagonale nach oben.
    Einige von ihnen kehren nie heim. Nie.
     

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