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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman
Autoren: PeP eBooks
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in die Küche wehte, während sie vor einem Tisch stand und die durchsichtigen Bohnenhäute nach draußen zu den wartenden Hennen schnippte. Manchmal landete eine solche Haut auf dem Rücken einer Henne, und sie mussten beide lachen, wenn sie beobachteten, wie die anderen danach pickten und so das Tier dazu brachten, panisch durch den Hof zu rennen. »Siehst du, mein Kleiner«,
hatte sie ihm einmal voller Zuneigung erklärt, »in Nigeria ist es nicht immer gut, etwas zu haben, was alle haben wollen.«
    Abeni war eine schwergliedrige Yoruba-Frau gewesen, mit kräftigen Beinen und einem weichen Bauch. Ihr breites Gesicht schien immer von einem Lächeln zerknittert zu werden - fast so, als bestünde das Leben aus einem ständigen Kitzeln. Wenn sie einmal die Stirn runzelte, dann geschah das nur in freundlichem Spott, indem sie für einen Moment ein langes Gesicht zog, um es sogleich wieder in einem schallenden Lachen aufzulösen. Das Leben mit Abeni stellte eine Reihe wunderbarer Mahlzeiten dar. Sie kochte Ifasen seinen geliebten adalu , einen gelben Maisbrei mit Bohnen, bedeckt mit Pfeffersuppe. Fürsorglich stellte sie stets eine Kanne mit Wasser, Zitronenscheiben und Eis neben seinen Teller, falls er sich an dem Pfeffer verschluckte. Zwischendurch versorgte sie ihn mit kleinen chin-chin , Schottischen Eiern und schmackhaften Fleischpasteten.
    Ehe er an seinem Geburtstag erwachte, bereitete sie bereits moyin für ihn vor. Sie mahlte die Bohnen zu einem Brei und mischte ihn mit Tomaten, Paprika, dünnen Fleischstücken, verschiedenem anderem Gemüse, Ei und Gewürzen, bevor sie alles, in eine Folie gewickelt, langsam dünstete. Wenn Ifasen erwachte, erfüllte der herrliche Duft schon das große Haus. Seine Geschenke mussten warten. Er gab sich die größte Mühe, seine Aufregung zu beherrschen, um als Erstes ein Stück seines Geburtstagsfrühstücks zu sich zu nehmen, zusammen mit einem frisch gepressten Obstsaft. Seine Familie schüttelte über seinen großen Appetit stets lachend den Kopf, während sich Abeni im Hintergrund hielt und ihn lächelnd beobachtete, die Arme stolz vor der Brust verschränkt.
    Ifasen sehnte sich nach der Schlichtheit eines vertrauten Geschmacks und nach den regelmäßigen Mahlzeiten, die sein Leben zu Hause bestimmt hatten. Die Erinnerungen an seine
Kindheit schaukelten wie aufgehängte Wäsche vor seinem inneren Auge hin und her, jedes Stück durch einen Geschmack oder einen Duft in seinem Gedächtnis festgezurrt. Manchmal vermutete er, dass seine Familie allein durch Abenis Kochkünste zusammengehalten wurde und alles bereits viel früher zerbrochen wäre, hätte es sie nicht gegeben.
    Er wünschte sich, seinem eigenen Sohn eine solch kulinarische Erfahrung mit auf den Weg geben zu können. Doch in einem fremden Land war es schwierig, die richtigen Zutaten zu finden. Es gab keine Yamswurzel für ikokore oder iyan , keinen Maniok für gari , keine Kolanüsse zum Kauen, keine oro -Samen für ogbono -Suppe, ja nicht einmal richtige Kochbananen für dodo oder im Ganzen geröstet als bole . Zum Trinken gab es keinen Vanille- zobo , keinen Palmwein, kein Selbstgebrautes. Hier gab es nur Bier mit vielen verschiedenen Etiketten, aber immer demselben wässrigen Geschmack. In den südafrikanischen Restaurants wurden ausländische Gerichte serviert: Pasta, Pizza, Curry oder scharf mariniertes Hühnchen, dessen Haut durch die Gewürze orangefarben war. In den Geschäften konnte man vakuumverpacktes Essen aus langen Kühlregalen nehmen, zwischen denen einsame Menschen ihre Einkaufswagen aus Metall hin und her schoben.
    Ifasen sehnte sich danach, seine Hände in einen Rupfensack voller Trockenbohnen zu tauchen, braunen Reis über seine Finger in eine Papiertüte rieseln zu lassen und dabei die Rufe und das Gelächter der Händler zu hören. Manchmal hatte er das Gefühl, dass dieses Fegefeuer, in dem er wartete und das er nicht verlassen konnte, in Wahrheit gar nicht mehr in Afrika war.
    Er öffnete die Wohnungstür und blieb einen Moment lang auf der Schwelle stehen. Sehnsüchtig blickte er sich in der vollgestopften Wohnung um und sog gierig den Duft der Pfeffersuppe in sich auf. Seine Füße schmerzten von einem langen Tag
an der Kreuzung, und er wollte nur noch seine Schuhe ausziehen. Doch erst einmal genoss er die Geräusche seines Zuhauses. Sie hatten etwas Beruhigendes. Er konnte hören, wie seine Frau leise mit seinem Sohn sprach und ihm erklärte, was sie gerade kochte. Er wusste, dass der
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