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Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition)

Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition)

Titel: Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition)
Autoren: David Gray
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auf seinen Kopf einhackten.
      Anus mundi - am Ende der Welt warten Schmerz, Frost und Vernichtung, keine Engel.
      Ich untersuchte den Toten. Seine Uniform wies ihn als Hauptmann aus. An einigen Stellen waren seine Sachen verbrannt, sein Oberschenkel wies einen tiefen Einschnitt auf. Zwar musste er noch versucht haben sich das Bein abzubinden, doch das kann seinen Tod höchstens hinausgezögert haben.
      Ich fragte mich, was er wohl dachte, als ihm klar wurde, dass er die Front nur deswegen überstanden hatte, um hier allein am Ende der Welt am Blutverlust zu krepieren.
      Während ich den Hauptmann untersuchte, stritten sich die Vögel lauthals um die magerere Beute im Inneren des Flugzeugrumpfs. 
      Ich hatte nur kurz hinein gesehen. Ich wusste, wie verkohlte Leichen rochen.
      Ein Toter braucht keinen Mantel, kein Hemd, keine Hose oder Stiefel.
      Ratten und Vögel hatten von seinem Gesicht nicht viel übrig gelassen, aber unter dem frischen Schnee sah ich in seiner Hand eine Pistole. Der linke Ärmel seiner Uniform war leer. Eine saubere Amputation. Hätte es selbst nicht besser machen können. Doch das Loch in seinem Schädel war zu tief und gleichmäßig, als dass Schnäbel es hätten schlagen können.
      Wer immer er war, den Mut, den er aufbrachte selbst ein Ende zu machen, zwang mir Respekt ab. Schon wegen dieses Mutes hatte er es nicht verdient als Vogelfutter zu enden. 
      Ich hatte nichts mit dem ich ihn hätte begraben können. So bedeckte ich seine nackte Leiche mit einem Stück Blech, das sich beim Aufprall vom Flügel des Flugzeuges gelöst hatte. In der Tasche seines Uniformmantels fand ich zwar kein Soldbuch, dafür aber einige zerknitterte, von Schweiß und Blut fast unleserlich gewordene Feldpostbriefe. Adressiert an Hauptmann Jakob Weiss, Charkow.
      Bevor ich zwischen Unterholz und Bäumen verschwand, blickte ich noch einmal zurück: am Flugzeugrumpf hackten Raben und Krähen im Streit um die immer schmaler werdenden Beute aufeinander ein.
    Es war fast Mitternacht, bevor ich mich hinter einer Schneewehe wieder in Mantel und Decke hüllte. Trotz Kälte und Hunger war mein Schlaf tief und traumlos. Als ich erwachte stand hoch über mir eine bleiche Sonne.
      Weißt Du was Hunger ist? Das beginnt als dumpfes Grollen, das zu stechenden Schmerzen wird, die schließlich in ein Gefühl übergehen, das fast einem Drogenrausch gleicht.
      Zwei weitere Tage stolperte ich Richtung Norden. Aber ich war nicht mehr allein. Ich war überzeugt, dass neben mir meine tote Frau durch den Schnee stapfte. Und, dass sie gekommen war, mir auf dem Weg beizustehen.
      Ich weiß was Du jetzt denkst. Ich bin Arzt. Mir ist klar, was Halluzinationen sind. Aber das ist mir egal. Meine Frau kam mit dem Besten, was sie hatte: ihrem Lachen. Und ohne sie wäre ich zweifellos spätestens am Ende dieses Tages irgendwo im Unterholz krepiert. So aber trieb mich ihre Anwesenheit weiter.
      Am Abend des fünften Tages meinte ich irgendwo weit voraus einen Hund bellen zu hören.
      Obwohl bis zur Küste hinauf noch ein gutes Stück Weg blieb, war die Gegend, die ich erreicht hatte schon spärlich besiedelt.
      Einmal lief mir in einiger Entfernung ein Hase über den Weg. Ich zog die Pistole des Hauptmannes und legte auf ihn an. Entschied mich aber im letzten Augenblick anders und ließ ihn ziehen. Ich hatte zuviel Angst vor dem Lärm des Schusses.
      Ich bilde mir ein, dass ich mir immer noch genug Verstand bewahrt hatte, die ersten schmalen Pfade auf die ich traf zu umgehen. Schließlich war das nicht mehr möglich. Ich musste mich einer neuen Realität stellen: von hier an konnte ich jederzeit unverhofft auf Menschen treffen.
      Wann ich Lachen, Stimme und Gestalt  meiner toten Frau wieder verlor, weiß ich nicht. Sie verschwand so plötzlich, wie sie gekommen war. 
      Ich starrte aus einem Gebüsch heraus, auf das erste Haus, das ich sah. Eine Stunde oder länger hockte ich dort. Bis mir aufging, dass es unbewohnt sein musste, weil sich darin weder etwas bewegte noch Licht brannte oder Rauch aus dem Schornstein drang.
      Ein trüber Tag, ebenso neblig und grau schon am Morgen, wie die Tage zuvor.
      Ich hielt es nicht mehr aus. Eine Stunde später kroch ich aus dem Gebüsch auf den Weg der zum Haus führte. Ich klopfte Hose und Uniformmantel vom Schnee frei und trat an die Tür. Ich hätte mir das Klopfen sparen können: die Tür stand offen. Ich trat ein, und mein erster Gedanke war, dass das Haus
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