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Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben

Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben

Titel: Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben
Autoren: Annette Schaefer
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fühlten sich eng mit »ihrem« Dreieck verbunden, charakterisierten es als sympathisches und hilfreiches Wesen und erzählten Geschichten, in denen es vom großen Dreieck (»Bully«, »Schläger«) angegriffen wird oder dem Kreis zur Seite springt.
    In einem anderen Experiment bat Kiesler 106 Studenten zu einer wissenschaftlichen Bastelstunde. Die Probanden sollten jeweils einen einfachen weißen Stein ganz nach ihrem Geschmack verzieren. Der Hälfte der Gruppe sagte sie, sie könnte den dekorierten Stein behalten, der anderen Hälfte, er sei zum Verkauf bestimmt. Diesmal zeigte der kleine Unterschied einen noch größeren Effekt: Jene, die den Stein für sich selbst verschönerten, bauten ihm gegenüber nicht nur eine emotionale Beziehung auf, sie hatten sogar das Gefühl, der bemalte oder beklebte kleine Brocken symbolisiere sie selbst. Sie gaben an, dass der Stein einmalig sei (weshalb sie eine Massenfertigung ihres Modells ablehnten) und dass er Eigenschaften habe, die ihrer eigenen Persönlichkeit ähnelten.
    Es fällt nicht schwer, die Ergebnisse von Kieslers Studien ziemlich bemerkenswert zu finden: Eine Sache kann noch so klein und unbedeutend sein, unter der Voraussetzung, dass sie uns gehört und sei es auch nur ganz kurz, können wir sogar Gefühle für ein digitales Dreieck entwickeln und uns mit einem simplen Kieselstein identifizieren. Wer sich allerdings näher mit psychologischer Forschung befasst, den wird diese Erkenntnis weniger überraschen.
    Dinge als Teil unseres Selbst
    Unsere Sachen sind ein Teil von uns, diese These hat in der Wissenschaft vom menschlichen Denken und Fühlen eine lange Tradition, sogar eine sehr lange. »Das Selbst eines Menschen ist die Summe all dessen, was er sein Eigen nennen kann, nicht nur sein Körper und seine psychischen Kräfte, sondern auch seine Kleider und sein Haus, seine Frau und Kinder, sein Ruf und seine Arbeit, sein Land, seine Yacht und sein Bankkonto«, betonte der Amerikaner William James schon 1890 in seinem Werk Principles of Psychology .
    James gilt als einer der Väter der modernen Psychologie. Vielen Lesern mag sein Name nicht geläufig sein, was schade ist, denn er gehört zu den bemerkenswertesten Protagonisten in der Geschichte der Seelenkunde. In New York in eine wohlhabende und kosmopolitische Familie geboren, lebte er als Kind zeitweilig in England, Frankreich, der Schweiz und Deutschland und sprach fünf Sprachen fließend. James träumte davon Maler zu werden, ging auf eine Amazonas-Expedition und versuchte sich als Student der Chemie und Physiologie, bevor er sich als erster Psychologieprofessor der USA einen Namen machte. Aber auch als Philosoph war er bekannt.
    Von den zahlreichen wissenschaftlichen Fragen, mit denen sich der produktive Gelehrte befasste, sind seine Ausführungen über die Beziehung zwischen der Identität und den Besitztümern eines Menschen besonders faszinierend. In einer für einen Wissenschaftler erstaunlich literarischen Sprache erläuterte er in Principles das Wechselspiel zwischen dem Selbst und der materiellen Welt. Es sei außerordentlich schwierig, zwischen sich selbst ( me ) und dem Seinigen ( mine ) zu unterscheiden, schrieb er, denn »wir empfinden gegenüber dem uns Gehörenden ähnliche Gefühle und handeln ihm gegenüber ähnlich wie gegenüber uns selbst.« Mehr noch: »Wenn die [eigenen Besitztümer] wachsen und gedeihen, triumphiert man; wenn sie dahinschwinden und sterben, fühlt man sich niedergeschlagen.« Besonders mit dem Teil des Besitzes, der »mit unserer Arbeit durchtränkt« ist, sind wir besonders eng verbunden, hebt James hervor: »Es gibt wenige Menschen, die sich nicht persönlich zerstört fühlen, wenn ein Werk, an dem sie ein Leben lang gearbeitet haben – eine Insektensammlung vielleicht oder ein umfangreiches handschriftliches Werk – plötzlich weggefegt wird.« Nach so einem Ereignis »bleibt das Gefühl der Schrumpfung der eigenen Persönlichkeit, ein Teil von uns verwandelt sich in nichts«. Die Opfer des Brandes in Oakland oder der Überschwemmung in Buffalo Creek würden sich in diesen einfühlsamen Ausführungen sicher wiederfinden.
    Wir sind, was wir haben. Was klingt wie die Maxime materialistisch- oberflächlicher Konsumkultur, ist nach James ein wichtiger Grundsatz des menschlichen Selbstverständnisses: Dinge sind nicht nur Ausdruck des Selbst, sie sind Teil des Selbst. Dabei besteht in seinem Konzept (das im Anhang ausführlicher dargestellt wird) ein regelrecht
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