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Willküra (German Edition)

Willküra (German Edition)

Titel: Willküra (German Edition)
Autoren: Lucia Hodinka
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noch ein Mal Belehrungen bezüglich ihrer Sprachwahl über sich ergehen zu lassen. In dieser Beziehung langweilte ihr Bruder sie noch mehr als ohnehin schon.
    Ohne große Erklärungen ging sie zur Tür, drehte sich dort noch einmal um und sah ihn mitleidig an.
    Der Herrschermantel hing traurig und schlaff an ihm herunter, als hätte der bereits verstanden, dass dieser Herrscher ihn vielleicht nicht mehr lange warm halten würde.
    Das stimmte den Mantel zwar traurig, denn so einen angenehm warmen Bauch und so eine behagliche Nierengegend hatte kein Herrscher vor ihm gehabt, aber wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass er heimlich den Wunsch hatte, in naher Zukunft auch mal eine Herrscherin zu bedecken. Welch neues Gefühl würde sich da einstellen! Und welch neue Form! Anstelle der standardmäßigen Bauchwölbung, würden ihn zur Abwechslung auch einmal Brüste wärmen.
    Der Willkürherrscher zog seinen Mantel zurecht.
    »Wie immer! Wenn du nicht weiter weißt, haust du einfach ab!«, rief er angriffslustig.
    Die Schwester des Willkürherrschers griff wütend die Türklinke.
    »Ach, und wenn du dein Buch wiederfindest, dann schau doch auch mal nach, was eine falsche Wortwahl über die Persönlichkeit aussagt. Dann lernen wir vielleicht noch etwas über dich!«, rief der Willkürherrscher fast schnippisch.
    Nichts kann er, dachte die Schwester des Willkürherrschers, eigentlich kann er sogar gar nichts. Aber sein Amt lässt ihm die Freiheit, sich selbst unglaublich gut zu finden.

2
     
    Der Willkürherrscher empfand das Türknallen seiner Schwester als unnötig. Er war heute von ihr enttäuscht. Er hatte von dem Gespräch mehr erwartet als nur dieses Getue um ihr verloren geglaubtes Buch. ‚Erklärung der unbewussten Handlungen‘ pah, so ein Nonsens!
    Sicherlich hatte das ein gescheiterter Allein-Unterhalter geschrieben. In der Geldnot und dem Ringen um Ruhm und Bekanntheit machen Menschen so Einiges, was sie besser nicht täten.
    Und dieser Autor hatte doch mit diesem Werk für immer seinen Namen für die ernst zu nehmende Belletristik verbrannt. Und außerdem, was viel schlimmer war, hatte er seine Schwester mit dem Nonsens so stark abgelenkt vom eigentlichen Thema, dass sie keine Hilfe gewesen war.
    Er schüttelte den Kopf.
    Wieso durchschaute sie die Hintergründe der banalsten Dinge nicht? Da macht irgendein dahergelaufener Quacksalber ein paar Flotte Thesen rund um Gesundheit, Körper und das Ich, und seine Schwester wird wirr.
    »Blödsinn sind solche Bücher und gehören fortan verboten!«, schrie er laut, obwohl keiner außer ihm selbst im Raum war. »Solch eine Art der Geldmacherei und Volksverwirrung wird es in meinem Staate nicht mehr geben! Ich bin hier der Willkürherrscher und jetzt habe ich wieder etwas gefunden, was ich willkürlich verbieten kann!«
    Er grinste beim Gedanken daran, dass sein Volk in den Straßen ‚Der Willkürherrscher hat wieder zugeschlagen‘ flüstern würde. Laut spräche es keiner aus, denn die Angst, das nächste Opfer des Willkürherrschers zu werden wäre zu groß.
    »Haha!«, freute er sich seines Plans, setzte sich wieder auf die Kiste und legte seine Hände auf den Schoß.
    Ach, der Mantel war so herrlich weich. Viel öfter sollte er seine Hände auf ihm ausruhen, dachte er, als sich seine Hände in den Mantel schmiegten.
    Doch jetzt war nicht der Zeitpunkt für angenehme Ruhepausen.
    »Gerolat!«, donnerte er plötzlich so unangenehm wie möglich, damit nicht nur Gerolat, sondern das gesamte Schloss das drohende Unheil vernehmen würden.
    Doch wieder stellte er fest, dass ihn das laute Schreien große Mühe kostete. Immer dieses Kratzen im Hals danach!
    Ich könnte im gesamten Schloss Lautsprecher anbringen lassen, dachte er, dann könnte ich in ganz normaler Sprechlautstärke in ein Mikrophon sprechen, und alle wüssten direkt Bescheid.
    Im ganzen Staat werde ich solche Lautsprecher anbringen lassen, entschied er, damit kann ich sofort jeden erreichen und spare mir das blöde Kratzen im Hals.
Welch geniale Idee! Ein Land nicht nur voller Willkürlicher Informationsfelder, sondern auch voller Lautsprecher. Keiner würde dann mehr sagen können, er hätte von nichts gewusst. Wo nahm er nur immer diese phänomenalen Ideen her?
    Er sollte diese Idee bald notieren, bevor sie ihm wieder entschwinden würde und erst viel später einmal wieder zur Verfügung stünde. Denn man konnte nie wissen, wann eine Idee wiederkam, wenn man sie einmal unbedacht fortziehen ließ.
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